Die Reliquie von Buchhorn
nickte Rodericus zu, während Wulfhard und Gerald ein Stück zurückblieben. Der junge Benediktiner holte tief Atem und näherte sich den Ordensbrüdern. »Gott zum Gruß.« Seine Stimme drohte zu versagen, und er räusperte sich. »Verzeiht die Störung, werte Brüder, aber ich suche meinen Begleiter, Bruder Warmund. Er ist vor einiger Zeit hier in Altdorf gewesen. Kennt Ihr ihn?«
»Ein Benediktiner mit diesem Namen ist mir nicht bekannt«, antwortete der Älteste kopfschüttelnd. »Seid Ihr auch von Graf Heinrich eingeladen?«
»Nein, wir …«
»Nun ja, gewissermaßen.« Eckhard lächelte gewinnend. »Unser Bruder ist vorausgegangen. Ich bin sicher, es geht ihm gut. Gott sei mit Euch.«
»Und mit Euch!«, erwiderte der Alte.
Die beiden sahen den Mönchen nach, bis sie außer Sicht waren. Rodericus rieb seine feuchten Hände an den Ärmeln der Kutte trocken. »Ich bin nicht geschaffen für diese Welt«, sagte er mit gesenktem Kopf. »Habe ich mich sehr dumm angestellt?«
»Mach dir keine Sorgen, deine Unsicherheit wirkt echt. Und nun geh. Es wird immer einer von uns in deiner Nähe bleiben.« Eckhard schlug das Zeichen des Kreuzes und drehte sich um. In einer Seitengasse gesellte er sich wieder zu Wulfhard und Gerald.
»Und du glaubst, der Kleine schafft das?«, fragte Wulfhard gedehnt. »Ich frage mich, wer den aus dem Kloster gelassen hat.«
»Ich bin sicher, Bruder Rodericus ist ein brillanter Kopf.«
»Und vollkommen ungeeignet, jenseits der Klostermauern auch nur seinen Hintern zu finden. Nichts für ungut. Wer geht ihm nach?«
»Wir wechseln uns ab, du und ich.«
»Und ich?«, fragte Gerald.
Eckhard maß den hünenhaften Schmied in seiner Kutte von Kopf bis Fuß. »Du bist zu auffällig. Warte in der Weinrebe und sieh zu, ob du dort etwas erfahren kannst. Und jetzt los!«
Sie folgten Rodericus in sicherem Abstand. Der junge Mönch bewegte sich unsicher, so als habe er Angst, die Leute anzusprechen. Die meiste Zeit hielt er den Kopf gesenkt, aber Eckhard kam es vor, als ob er jeden, der ihm entgegenkam, genau beobachtete. Allerdings konnte das auch Wunschdenken sein. Als Rodericus nach gut zehn Minuten immer noch ziellos durch die Gassen wanderte, begann er, Wulfhards Einschätzung im Stillen recht zu geben. Endlich näherte Rodericus sich einem alten Mann. Eckhard schob sich näher, doch er konnte die Worte nicht verstehen. Nur dass der Greis den Kopf schüttelte, sah er. Von da an wurde Rodericus gesprächiger. Er redete mit ein paar Pilgern, einem guten Dutzend Händler und Handwerker, schließlich sprach er sogar eine Gruppe Frauen an, die am Brunnen standen und schwatzten. Zu guter Letzt verschwand er in einem kleinen Töpferladen. Eckhard lehnte sich an eine Hauswand und stellte verwundert fest, dass die Sonne bereits im Zenit stand.
Schritte in seinem Rücken bewogen ihn, sich rasch umzudrehen. »Wulfhard, wir haben doch vereinbart, während der Beobachtung nicht zusammen gesehen zu werden.«
Wulfhard fuhr sich heftig durch die Haare. »Ich habe Hunger!« Er blinzelte in die Frühlingssonne. »Es ist fast Mittag. Es war sowieso ein schwachsinniger Plan. Wer würde Rodericus am helllichten Tag angreifen? Lass uns zurückgehen. Dass hier jemand herumschnüffelt, hat dein Hunfried inzwischen mitbekommen, wenn er nicht blind und taub ist.«
Eckhard sah wieder zu dem Verschlag des Töpfers hinüber. »Wo bleibt er nur?«
»Ich hol ihn!«
Eckhard packte Wulfhards Ärmel und zog ihn zurück. »Nichts da«, zischte er.
Im gleichen Augenblick trat Rodericus in den Sonnenschein. Als er Eckhard und Wulfhard sah, zögerte er, dann schlenderte er auf die beiden zu.
»Na endlich«, murrte Wulfhard und stöhnte auf, als Rodericus erneut stehen blieb und sich einem Mönch zuwandte, der eben aus einer Gasse kam. »Der hat wohl Gefallen am Spionieren gefunden!«
»Psst!« Eckhard legte den Finger auf die Lippen und beobachtete, wie Rodericus und der fremde Mönch miteinander sprachen. »Das war einer aus der Gruppe heute Morgen. Vielleicht hat er Rodericus etwas zu berichten, was er vorhin lieber verschwiegen hat. Da, er kommt.« Hastig zog Eckhard Wulfhard in die Gasse. Der Mönch kam an ihnen vorbei, musterte die beiden und grüßte sie dann mit einer stummen Neigung des Kopfes. Unter der Kapuze sah Eckhard ein ungewöhnlich gebräuntes Gesicht mit dunklen Augen und Lippen, die zu einem leichten Lächeln verzogen schienen. Wulfhards Magen knurrte laut. Eckhard schüttelte den Kopf und trat wieder
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