Die Reliquie von Buchhorn
ersten Mal wirkte sein Gesicht nackt und ratlos. »Es tut mir leid, Brüder, aber ich fürchte, wir haben Euren Bruder Warmund gefunden.«
Eckhard schloss die Augen. »Tot«, sagte er leise. Es war keine Frage.
Heinrich von Altdorf nickte. »Tot. Gernot und ein paar meiner Männer haben die Leiche vor ein paar Tagen im Wald gefunden. Ein dicker Mann.« Er senkte die Lider. »Unbekleidet.«
Eckhard und Rodericus sahen sich erschrocken an. »Unbekleidet?«
Heinrich nickte wieder. »Außerdem wies sein Körper blaue Flecken und Striemen auf.«
»Also ist er zu Tode gefoltert worden«, schloss Eckhard tonlos. »Ist es das, was Ihr meint, Herr? Habt Ihr die Leiche gesehen?«
»Das habe ich. Er hatte eine Wunde am Kopf, die ihn wohl das Leben gekostet hat. Wir müssen annehmen, dass er vor seinem Tod schwer misshandelt wurde.«
»Oh mein Gott.« Rodericus ließ seinen Kopf in die Hände fallen. Seine Schultern bebten.
Eckhard legte ihm die Hand auf den Rücken, doch seine Aufmerksamkeit galt dem Grafen. »Und Ihr habt nichts unternommen?«
»Wir wussten ja nicht, dass er ein Mönch war. Er war nackt, und außerdem war er kahl. Wir hielten ihn für einen Kaufmann, der Räubern in die Hände gefallen ist. Das kommt immer wieder vor. Es gibt hier eine sehr dreiste Räuberbande, die uns bisher immer entwischen konnte.«
Eckhard bekreuzigte sich stumm. »Und er hatte nichts bei sich?«
»Gar nichts.«
Langsam ließ Rodericus die Hände sinken und sah den Grafen aus geröteten Augen an. Seine Haut wirkte geisterhaft bleich. »Dann helfe Gott uns allen«, flüsterte er. »Wo ist er beerdigt?«
Heinrichs kräftige Gesichtsfarbe vertiefte sich. »Im Wald«, gestand er, ohne die Mönche direkt anzusehen.
»Im Wald?« Rodericus sprang auf. »Er ist ohne christliches Begräbnis verscharrt worden? Wollt Ihr das sagen?«
Heinrich verschränkte die Arme. »Was erwartet Ihr? Wir haben eine Leiche gefunden, und Gernot und seine Leute haben sie im Wald begraben. Wir dürfen die Bevölkerung nicht noch mehr verunsichern.«
Eckhard lächelte zynisch. »Natürlich nicht. Wie könntet Ihr bekannt werden lassen, dass Ihr der Räuber nicht Herr werdet!«
»Ganz zu schweigen von dem Mann, der mich …«
Eckhard versetzte Rodericus unter dem Tisch einen so heftigen Tritt, dass der junge Mönch erschrocken verstummte. »Nachdem Ihr Euch jetzt davon überzeugt habt, dass unsere Begleiter die Wahrheit gesprochen haben, werdet Ihr sie freigeben?«
Heinrich schenkte sich einen neuen Becher Wein ein und trank in langen Zügen. »Natürlich«, sagte er schließlich. »Ihr könnt sie gleich mitnehmen.«
»Danke.«
»Und Bruder Warmund muss ein christliches Begräbnis bekommen«, setzte Rodericus hinzu.
»Aber …« Heinrich bedachte Eckhard mit einem finsteren Blick.
Rodericus sprang auf. Auf seinen Wangen brannten rote Flecke. »Ihr müsst!«, rief er mit schriller Stimme. »Warmund ist Benediktiner. Wollt Ihr seine und Eure Seele gefährden, Graf von Altdorf, indem Ihr ihn in ungeweihter Erde verrotten lasst?«
»Natürlich nicht. Aber wir müssten die Leiche ausgraben.«
»Ja!«
Heinrich schaute die beiden Mönche an. Endlich hob er beide Hände. »Natürlich werde ich einem Benediktiner ein ehrenvolles Begräbnis nicht verweigern. Wo, sagtet Ihr, kommt er her? Worms?«
»Lorsch!«
Heinrich und Eckhard wechselten bei der Schärfe in Rodericus’ Stimme einen Blick. Die Hände des Welfen ballten sich kurz, aber er beherrschte sich. »Also Lorsch. Ich werde alles Nötige veranlassen. Und Eure Begleiter freigeben. Sonst noch etwas?«
Rodericus knetete seine Finger. Plötzlich hob er den Kopf und fixierte den Grafen mit schmalen, grünen Augen. »Euer Neffe könnte bei der Beerdigung zugegen sein. Um allen in Altdorf zu zeigen, dass wir unschuldig sind an den Vorwürfen, die uns getroffen haben. Und Ihr könntet dafür sorgen, dass wir sicher über die Grenze gebracht werden. Damit nicht noch mehr Menschen von Eurer Räuberbande getötet werden.« Er atmete unregelmäßig, seine Hände bebten. »Und … Und …« Er verstummte. Seine Schultern sackten herab.
Eckhard verbarg ein Lächeln hinter der hohlen Hand. »Ich denke, das wäre alles, worum wir bitten, Herr«, sagte er mit einem Blick in das versteinerte Gesicht des Welfen. »Wenn Ihr unsere Gefährten in den Hof bringen lassen könntet, wären wir sehr dankbar. Wir werden bei den Pferden auf sie warten. Und was den Vorschlag meines jungen Bruders angeht, uns über die
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