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Die Reliquie von Buchhorn

Die Reliquie von Buchhorn

Titel: Die Reliquie von Buchhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
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während er zu entscheiden versuchte, ob das Auftauchen des Welfen Hilfe oder neue Bedrohung bedeutete.
    Inzwischen hatte Hunfried Rodericus und seinen Angreifer entdeckt. Mit der Gewalt eines Rammbocks bahnte er sich seinen Weg durch die Menge. Unter anderen Umständen hätte Eckhard gelacht, wie hastig die Menschen dem ausgebildeten Kämpfer Platz machten. Auch Rodericus’ Angreifer sah Hunfried. Er erstarrte eine Sekunde lang, dann ließ er den Mönch los und duckte sich in den Schatten. Als Eckhard ihn das nächste Mal sah, tauchte er neben der Tür auf. Er stieß sie auf und rannte in die Nacht.
    »Da drüben!«, hörte er sich schreien. Er hatte keine Ahnung, ob Hunfried seine Worte verstanden hatte, aber auch der Welfe stürzte zur Tür. Wenig später waren beide Männer so spurlos verschwunden wie ein Spuk. Eckhard atmete heftig und winkte Rodericus mit beiden Armen zu. Der junge Mönch, der sich mit dem Rücken gegen eine halb umgestürzte Tischplatte gedrückt hatte, kam mit unsicheren Schritten auf ihn zu. Als er in Hörweite war, fragte Eckhard: »Geht es dir gut, Bruder?«
    Rodericus nickte verstört. »Dieser Mann …«, stammelte er.
    »Hunfried. Ja, ich weiß auch nicht, welche Rolle er spielt, er …«
    »Nicht er. Der andere.« Langsam zog Rodericus die geballte Faust hinter dem Rücken hervor. Ein schmutziges Stück Stoff lugte zwischen seinen verkrampften Fingern hervor.
    »Was ist das?«
    »Seine Mütze. Ich hab sie ihm heruntergerissen, als er mich gepackt hat.« Er hob den Kopf, und Eckhard sah in den Augen des jüngeren Mannes Verwirrung, Furcht und grenzenlose Ratlosigkeit. Seine Stimme war ein heiseres Flüstern: »Es war ein Mönch.«
    »Wie bitte?«
    »Ein Mönch. Ich habe seine Tonsur gesehen.«
    »Aber …« Eckhard hob hilflos die Hände. »Bist du sicher? Vielleicht hatte er nur eine Glatze?«
    »Es war eine Tonsur«, beharrte Rodericus tonlos. »Ich kenne den Unterschied.«
    Eckhard fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Ein Mönch«, flüsterte er. »Und der Welfe hilft uns. Wenn er denn ein Welfe ist. Ich verstehe es einfach nicht.« Schlagartig kam ihm ein anderer Gedanke. »Dieser Tagelöhner!«, rief er. »Er hat die Schlägerei angezettelt.«
    Suchend sah er sich um. Der Kampfeseifer der meisten Gäste schien sich langsam zu legen, und nur die Hartnäckigsten droschen weiter aufeinander ein. In einer Ecke hinter dem Ausschank sah er den Wirt und die Schankmagd, die es längst aufgegeben hatten, für Ordnung zu sorgen. »Er ist nicht mehr hier. Natürlich. Ich frage mich, ob Hunfried …« Er machte eine Bewegung, als wolle er zur Tür gehen, aber Rodericus hielt ihn zurück.
    Der jüngere Mönch krallte seine Finger in den Ärmel des älteren und sah ihn aus riesigen Augen an. »Du … Du willst doch nicht da rausgehen, Bruder Eckhard«, stammelte er. »Tu das nicht.«
    »Es ist nicht mehr gefährlich. Bleib du hier, oder besser noch, geh in unsere Kammer, ich komme dann nach.«
    »Nein, bitte!« Rodericus ließ den Kopf hängen. »Geh nicht, Bruder. Ich habe Angst.«
    Eckhard betrachtete den anderen stumm, dann löste er dessen Finger beinahe sanft von seinem Arm. »Oh Bruder, warum haben sie dich nur in die Welt geschickt«, seufzte er kopfschüttelnd.
    Ein tiefes Rot färbte Rodericus’ Gesicht. Er senkte den Kopf noch tiefer auf die Brust.
    Eckhard sah ihn erstaunt an. »Ja, warum haben sie dich geschickt?«, wiederholte er in verändertem Tonfall. »Gibt es doch etwas, das du mir verschweigst?«
    »Nein. Ich sollte lernen. Das war der Grund.«
    »Von Bruder Warmund?«, fragte Eckhard gedehnt. »Von einem Mann, der falsche Reliquien verkauft? Das kann ich mir schwer vorstellen. Du weißt, Bruder, dass Lügen eine Sünde ist.«
    Der junge Mönch nickte stumm.
    Langsam wandte Eckhard sich ab. Etwas in den verzweifelten Zügen des jungen Benediktiners sagte ihm, dass er vorerst nichts weiter erfahren würde. »Nun gut«, entschied er endlich, »Hunfried wird sich ohnehin nicht mehr blicken lassen, ob er diesen Kerl nun eingeholt hat oder nicht. Und wir haben morgen noch genug Arbeit vor uns. Also lass uns schlafen gehen.«
    »Und beten.«
    »Und beten. Ja, ich denke, der Herr hat heute ein kleines Wunder an uns vollbracht. Beten wir, dass er auch morgen seine Hand über uns hält. Und über Gerald und Wulfhard.«
     
    Leichter Nieselregen hatte in der Nacht eingesetzt. Mühsam kämpften sich zwei einsame Gestalten im fahlen Morgenlicht den Hügel hinauf. Ihre Pferde

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