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Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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kletterten beide auf den Altar. Bohumir stellte sich breitbeinig hin, ging leicht in die Knie und hielt seine Hände so, dass Rebekka sie als Steigbügel nutzen konnte. Sie setzte einen Fuß hinein, zog sich hoch und kletterte auf Bohumirs Schultern. Langsam streckte er die Beine durch, die Gewölbespitze kam immer näher. Als Bohumir aufrecht stand, konnte Rebekka die Spitze mit ihren Händen erreichen. Und sie überblickte die Kapelle.
    Die Ritter hatten sich in Formationen aufgestellt. Bald schon würde die Tür brechen und der Kampf Mann gegen Mann beginnen. Plötzlich erstarb das Krachen der Schläge. Rebekka hatte nicht Zeit genug, sich zu fragen, warum, denn im selben Moment flogen brennende Kugeln durch die Fenster. Gepresstes Stroh, das vermutlich zusätzlich mit Teer bestrichen worden war. Sie zuckte erschrocken zusammen, fing sich aber, bevor Bohumir unter ihr ins Wanken geriet.
    Rasch wandte sie sich wieder der Gewölbespitze zu. Der heilige Georg saß auf einem Pferd und stach seine Lanze einem Drachen ins Maul. Sie versuchte, die Figur zu drehen, aber sie saß fest. Gewalt konnte sie ebenfalls nicht anwenden. Die Figuren waren in den Schlussstein des Gewölbes eingehauen. Schlug man den Stein weg, stürzte das Gewölbe ein. Sie lehnte sich etwas seitwärts. Entlang der Lanze sah sie einen länglichen Schlitz.
    »Bohumir, habt Ihr einen spitzen Dolch bei Euch?«
    Mit Mühe konnte Rebekka das Gleichgewicht halten, als Bohumir unter ihr begann, sich zu bewegen. Schließlich reichte er ihr einen Dolch mit einer schmalen Klinge nach oben. Sie stocherte damit in dem Schlitz herum, aber nichts passierte. Sie schwitzte, der aufsteigende Qualm brannte ihr in der Kehle. Noch einmal versuchte sie es. Ohne Erfolg. Es war, als wäre der Schlitz ein Schlüsselloch. Was fehlte, war der Schlüssel. Aber ihre Eltern hatten ihr keinen Schlüssel hinterlassen.
    Bohumir hustete, immer dichtere Rauchschwaden zogen nach oben. »Beeilt Euch, bei Gott, wir werden hier bei lebendigem Leib geröstet.« Wieder hustete er.
    Rebekka überlegte fieberhaft. Sie hatte alles, was nötig war. Aber sie hatte keinen Schlüssel. Oder doch? Was hatten ihre Eltern ihr mitgegeben? Die Bibel. Die Decke. Das Kruzifix! Hastig griff sie sich an den Hals. Mit zittrigen Fingern riss sie das Kruzifix von der Kette und steckte es in den Schlitz. Behutsam tastete sie die Fuge ab, bis der obere Teil des Kreuzes mit dem Querbalken an einer Stelle spürbar einrastete. Es passte! Sie hatte den Schlüssel gefunden! Als sie einen leichten Druck auf das Kruzifix ausübte, schwang das Relief des heiligen Drachentöters mit einem leisen Ächzen der Scharniere zur Seite. Dahinter kam eine Schriftrolle zum Vorschein. Aber sie bestand nicht aus Pergament, sondern aus einer Art faserigen Tuchs. So etwas hatte sie noch nie gesehen.
    Bohumir wurde erneut von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt.
    »Ich habe sie!«, schrie Rebekka.
    Der Leibgardist des Königs ging in die Knie, damit sie leichter herunterklettern konnte, dann standen sie beide wieder auf dem Altar. Hastig rollte Rebekka die Schriftrolle auseinander. Das merkwürdige Material war übersät mit Schriftzeichen.
    Bohumir warf einen Blick darauf und schüttelte den Kopf. »Was sind das für Zeichen? Welche Sprache ist das?«
    Rebekka lächelte. »Das ist Aramäisch, die Sprache, die Euer Gottessohn sprach, als er noch als Mensch auf der Erde wandelte.«
    Im selben Augenblick erzitterte die Pforte unter einem mächtigen Schlag und riss aus den Angeln. Bohumir sprang vom Altar, zog sein Schwert und stellte sich vor Rebekka.
    Von der Hardenburgs Männer begrüßten Fulbachs Söldner mit einer Salve Armbrustbolzen, acht Angreifer fielen, doch sofort drängten neue nach.
    Rebekka versuchte, das Kampfgetümmel nicht zu beachten. Sie betrachtete die Zeichen und prägte sie sich so gut ein, wie es ihr möglich war.
    Dann stieg sie vom Altar und betete leise das Totengebet: »Gott voller Erbarmen, in den Himmelshöhen thronend, es sollen finden die verdiente Ruhestätte unter den Flügeln Deiner Gegenwart, in den Rängen der Heiligen, der Reinen und der Helden strahlend wie der Glanz des Himmels, die Seelen der Gefallenen …«
    Kampfgeschrei erfüllte die Kapelle. Von der Hardenburgs Männer bildeten längst schon keine geordnete Formation mehr, sondern waren in kleine Gruppen gespalten, die sich verzweifelt wehrten. Zwei Angreifer kamen auf Bohumir und Rebekka zu, leckten sich über die Lippen.
    Bohumir

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