Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
versinken, der Boden unter ihr gab nach, doch der Moment währte nur kurz.
Johann gab sie frei, wischte sich über das Gesicht.
»Was ist geschehen?«, fragte sie. »Wo bin ich?«
»In einer Scheune, die meinem Vater gehört. Keine Sorge, sie liegt außerhalb der Stadt. Hier kann dich niemand finden. Du bist in Sicherheit.«
»Aber wie …?«
»Als ich hinzukam, war die Schlacht schon in vollem Gang«, erzählte Johann. »Ich hatte Nachricht erhalten, dass du auf dem Weg nach Rothenburg wärest und von Gegnern verfolgt würdest.«
»Ich verstehe nicht …« Rebekka schwirrte der Kopf.
»Das erkläre ich dir ein andermal. Jedenfalls kam ich zu dem Wegkreuz hinter Schweinsdorf, wo ich sah, dass bewaffnete Männer versuchten, in die Marienkapelle einzudringen. Ich ahnte gleich, dass ihr dort drinnen sein musstet. Und dann entdeckte ich im Gebüsch hinter dem Wegkreuz einen Toten. Es war ein Ritter des Deutschen Ordens, und da ich wusste, dass du mit einem solchen Ritter unterwegs warst, dachte ich mir, dass er zu euch gehört haben muss. Ich nahm seinen Umhang und ritt ganz nah an die Kapelle heran. Ich band meinen Schimmel an einen Baum und schlich noch näher. Die Angreifer waren so damit beschäftigt, die Tür einzuschlagen, dass sie mich nicht bemerkten. Es waren mindestens vier Dutzend. Doch an der Rückseite waren nur zwei Mann als Wachen aufgestellt, die ihren Blick auf die Fenster gerichtet hielten. Sie passten lediglich auf, dass keiner der Eingesperrten floh, aber sie rechneten nicht damit, dass jemand in die Kapelle hineinwollte. Es gelang mir, die Männer zu überwältigen, bevor sie bemerkten, was geschah.« Er seufzte. »In einem Kampf Mann gegen Mann hätte ich nichts gegen sie ausrichten können.«
»Ach, Johann, ich kann das immer noch nicht glauben!«
Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Inzwischen war der Kampflärm angeschwollen, Rauch quoll aus der Kapelle. Ich stieg durch das hintere Fenster ein und sah, wie du bewusstlos am Altar lagst. Rasch zog ich den Umhang des toten Deutschordensritters an. Ich wollte, dass deine Leute mich nicht für einen Angreifer hielten. Zu spät merkte ich, dass ich mich damit zur Zielscheibe für die Männer von Abt Fulbach machte, denn die hatten die Tür inzwischen eingeschlagen, und der Kampf tobte in der Kapelle. Mein Mut sank. Ich hatte keine Ahnung, wie ich dich dort heil hinausbekommen sollte.
Doch plötzlich wandten sich alle dem Portal zu. Fanfaren ertönten, die Männer strömten nach draußen. Königliche Truppen waren aufgekreuzt, und das Blatt wendete sich. Das war die Gelegenheit für mich. Ich warf dich über meine Schulter, drängte mich ebenfalls durch die Tür und rannte um die Kapelle herum. Dort legte ich dich vor mich auf das Pferd und stob davon, keinen Moment zu früh, denn die Soldaten des Königs hatten die Kapelle fast eingekreist, ich bin gerade noch durchgeschlüpft. Obwohl mich einige Männer gesehen haben, haben sie mich nicht verfolgt, sondern auf mich gezeigt und sich mehrfach bekreuzigt.«
Rebekka beugte sich zu Johann und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Ich danke dir, mein Ritter.«
Er lächelte.
»Wie ist die Schlacht ausgegangen?«
Johann hob die Schultern. »Die Angreifer wurden vernichtend geschlagen. Allerdings hat es einige von deinen Begleitern erwischt.« Er senkte den Blick. »Was hast du dort getan? Was hast du mit christlichen Ordensrittern zu tun?«
Rebekka musste an Bohumir denken und presste die Lippen zusammen, um die Tränen zurückzuhalten. »Ich kann jetzt nicht darüber sprechen«, flüsterte sie.
»Meinetwegen.« Er sah sie mitfühlend an. »Weißt du, dass wir uns in Prag nur knapp verpasst haben?«
Rebekka schüttelte den Kopf. »Du warst in Prag?«
»Ich habe dich gesucht …«
»Aber …« Rebekka wusste nicht, was sie sagen sollte.
»In der Nacht, als es geschah, war ich betrunken. Das werde ich mir nie verzeihen.« Seine Miene versteinerte. »Zuerst dachte ich, auch du seist tot. Aber dann erhielt ich Hinweise darauf, dass du lebst.«
»Was ist in dieser Nacht geschehen?«
Johann seufzte. »Alle Juden bis auf dich und Rabbi Isaac sind …«, er unterbrach sich, rang sichtlich mit der Fassung, »… verbrannt. Sie haben sich im Tanzhaus versammelt. Noch bevor die Rothenburger sie erschlagen konnten, haben sie Feuer gelegt und sich selbst angezündet.«
Rebekkas Kehle wurde eng, Tränen quollen ihr aus den Augen. Jetzt verstand sie, warum ihre Eltern sie weggeschickt
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