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Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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bedeutet. Sie würde die Münze dem nächsten Bettler in die Hand drücken, der ihr auf der Straße begegnete.
    Sie kamen auf den Burghof, wo ihr erneut der ohrenbetäubende Lärm entgegenschlug. Auch das Gotteshaus wurde mit dem Blut der Juden bezahlt. Eigentlich müssten die Steine rot in der Wintersonne glühen.
    Als sie zwischen den Werkstätten der Steinmetze hindurch auf das Tor zugingen, beruhigte sich Rebekkas Herzschlag allmählich. Sie hatte es geschafft, sie hatte beim König vorgesprochen, hatte ihren Auftrag korrekt ausgeführt, und das alles, ohne dass Karl gemerkt hatte, wer ihm gegenüberstand. Nicht einmal geahnt hatte er, dass er seine kostbare Reliquie aus den Händen einer Jüdin entgegennahm. Allerdings hatte sie den Eindruck gehabt, dass er sie mit seinen Fragen einer Art Prüfung unterzogen hatte.
    Engelbert von der Hardenburg! Was hatte in dem Schreiben an den König gestanden? Die Wahrheit über sie? War das Ganze eine Art grausames Spiel? Ein Wettstreit? Nein. Unmöglich. Der Überfall auf der Landstraße, von der Hardenburgs schwere Verletzungen. Das alles war wirklich gewesen, kein Spiel. Bestimmt hatte der König sich lediglich gewundert, warum der Ordensritter nicht einen seiner Mitbrüder, sondern eine junge Frau zu ihm schickte.
    Rebekka wich einem Burschen aus, der mit zwei Eimern Wasser an ihr vorbeirannte und sie dabei beinahe umstieß. Karl war nicht so gewesen, wie sie es erwartet hatte. Er war freundlich zu ihr gewesen, hatte mit warmer Stimme gesprochen und sie voller aufrichtigem Interesse angesehen. Sie verstand nicht, wie ein solcher Mann einerseits so zuvorkommend und andererseits so kaltblütig sein konnte. In Prag standen die Juden unter dem Schutz des Königs, im übrigen Reich wurden sie mit seiner Billigung ermordet und vertrieben. Ein Mann mit zwei Gesichtern. Waren nicht letztlich alle Herrschenden so?
    Beim Tor erwartete Vojtech von Pilsen sie. »Ich hoffe, Eure Audienz bei Seiner Majestät verlief zu Eurer Zufriedenheit«, sagte er mit einer Verbeugung.
    Sie verneigte sich ebenfalls, sagte jedoch nichts.
    »Unser König ist ein weiser, gütiger Mann«, fuhr Vojtech fort. »Ist es nicht so?«
    Rebekka bemühte sich, ihm beizupflichten. »In der Tat. Ein König, wie man sich keinen besseren wünschen kann.« Was wollte der Hauptmann der Wache noch von ihr? Eine weitere Bestätigung, dass sie seinen Fehler von vorhin nicht an seinen Herrn verraten hatte?
    »Und er ist ein Mann der Wissenschaften, der Kunst und der Musik«, schwärmte der Hauptmann weiter. »Seit er herrscht, haben wir keinen Krieg mehr geführt. Er erreicht alles, was er will, ohne Blutvergießen. Ich weiß das zu schätzen. Zwei Brüder habe ich auf dem Schlachtfeld in Italien verloren für nichts und wieder nichts. Karls Vater war ein Draufgänger, Gott hat ihn dafür mit Blindheit geschlagen. Seit sein Sohn herrscht, blüht Prag auf. Gelehrte aus allen Landen kommen in unsere geliebte Stadt, viele wohlhabende Studenten und Magister aller Künste leben jetzt hier.«
    Rebekka starrte den Hauptmann ungläubig an. Davon hatte sie noch nichts gehört.
    »Wisst Ihr nicht, dass Karl hier in Prag die Alma Mater Carolinga gegründet hat?«, antwortete der Hauptmann auf ihre unausgesprochene Frage. »Eine Universität. Zu Ehren Gottes. Im letzten Jahr haben wir eine ganze Woche lang gefeiert, um das Ereignis gebührend zu würdigen. Wenn es einen guten Menschen auf der Welt gibt, dann ist das Karl, mein geliebter König.«
    Rebekka lauschte staunend, doch sie bemerkte auch, dass Vojtech beim Sprechen immer wieder an ihr vorbeiblickte, als erwarte er jemanden. Wollte er Zeit schinden? Zu welchem Zweck?
    »Ich sollte jetzt aufbrechen«, sagte sie entschlossen. »Ich habe Euch schon viel zu viel Zeit geraubt. Außerdem muss ich ein Schreiben des Königs bei den Herren des Deutschen Ordens abliefern.« Sie zog das Kopftuch fest. »Gott mit Euch, Vojtech von Pilsen.«
    »Und mit Euch.« Der Hauptmann verneigte sich tief. »Habt Dank für Eure Güte. Und wenn Ihr eine starke Hand braucht: Sendet nach mir. Ich werde da sein.«
    Rebekka trat durch das Tor, ohne sich noch einmal umzusehen, und eilte die Straße hinunter, die sie zurück ans Flussufer führte. Unter dem Torbogen, der den Aufgang zu der Brücke markierte, saß eine junge Frau in Lumpen, die einen erbärmlich wimmernden Säugling im Arm hielt. Das Kind hatte ein entstelltes Gesicht, zwischen Mund und Nase klaffte eine hässliche Spalte wie eine offene

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