Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
Gerüchten, aber er hatte von der Hardenburg selbst erlebt; der Mann war schlau und undurchschaubar. Und er scheute keine Mittel und Wege, seine Ziele zu erreichen. Dabei ging er über Leichen, davon war Matyas überzeugt. Fragte sich nur, welches Ziel Engelbert von der Hardenburg im Auge hatte. Und welche Rolle Karl dabei spielte. Oder ob am Ende gar der König selbst das Ziel war?
»Nur über meine Leiche«, flüsterte Matyas und griff sein Schwert fester.
Eine Tür quietschte. Endlich. Amalie Severin erschien in Begleitung eines Halbkreuzlers, eines dienenden Halbbruders, der, nach seinem Milchgesicht zu urteilen, noch keine sechzehn Lenze zählte. Matyas hielt den Atem an. Jetzt würde sich herausstellen, ob die Frau den richtigen Weg einschlug. Wenn nicht, würde Engelbert von der Hardenburg sich vor seinem König erklären müssen.
Sie gingen über den Fleischmarkt, danach über den Altstädter Ring, und wenig später standen sie tatsächlich vor dem Haus des Tassilo Severin.
Der Halbkreuzler klopfte und reichte etwas durch die Luke, kurz darauf öffnete sich die Tür. Tassilo Severin höchstselbst trat vor die Tür, schloss Amalie in seine Arme und hielt sie dann an den Schultern auf Armeslänge von sich weg. Sein Blick drückte tiefe Zweifel aus. Er kannte sie nicht! War sie also doch eine Betrügerin?
Schon dröhnte Severins Bass durch die Gassen. Aber er sagte nicht das, was sich Matyas erhofft hatte. »Wie du gewachsen bist, Amalie!«, rief der Kaufmann und kratzte sich am Kinn. »Und wie schön du geworden bist. Ich hätte dich fast nicht wiedererkannt. Es ist ja auch so lange her! Komm herein! Mein Haus ist dein Haus. Gott sei gepriesen, dass du unversehrt angekommen bist. So eine weite und gefährliche Reise …«
Severin steckte dem Halbkreuzler eine Münze zu, der bedankte sich überschwänglich und verschwand in der nächsten Gasse. Amalie und ihr Onkel traten ins Haus, der tiefe Bass dröhnte weiter, erst als die Tür zufiel, verebbte Severins Redefluss.
Matyas schloss die Augen. Er verglich Amalies Gesicht mit dem von Tassilo Severin. Da war keinerlei Ähnlichkeit zwischen den beiden. Aber das musste nichts heißen, Amalie konnte die Nichte seines Weibes sein. Oder die seiner ersten Frau. War Severin nicht schon einmal Witwer geworden?
Andererseits hatte er noch keinen echten Beweis dafür gesehen, dass Amalie tatsächlich die Nichte dieses Mannes war, egal, ob leiblich oder angeheiratet. Das Ganze konnte ebenso gut eine Verschwörung sein. Zu gern hätte Matyas gewusst, was in dem Schreiben stand, das der Halbkreuzler Tassilo gegeben hatte. Gab es eine Möglichkeit, da heranzukommen? Nein, das war zu gefährlich, er durfte auf keinen Fall erwischt werden. Der König hatte sich mehr als deutlich ausgedrückt.
Vielleicht sollte er den Halbkreuzler ins Gebet nehmen? Auch das verwarf Matyas aus dem gleichen Grund. Er verließ seinen Posten und machte sich auf den Weg zum Hradschin. Er hatte seinen Auftrag wortgetreu ausgeführt. Er würde Karl wahrheitsgemäß berichten und ihn darum ersuchen, dieser Amalie auf den Zahn fühlen zu dürfen. Er warf einen letzten dunklen Blick über die Schulter auf das Haus, hinter dem er eine Verschwörung witterte, bevor er sich die Gugel tief ins Gesicht zog und um die Ecke verschwand.
Wenig später stand er vor seinem König und erzählte, was er in Erfahrung gebracht hatte.
»Das sind gute Nachrichten, hervorragende Arbeit.« Karl blickte Matyas an und hob die Augenbrauen. »Aber so wie Ihr dreinschaut, liegt Euch noch etwas auf dem Herzen.«
Wie immer durchschaute Karl ihn ohne Mühe. Warum nur ließ sich der König trotz seiner Klugheit von dieser Metze und dem hinterhältigen Ordensritter hinters Licht führen?
»Herr, verzeiht mir, aber irgendetwas stimmt nicht …«
Karl hob eine Hand. »Matyas, Ihr wittert immer irgendwo eine Verschwörung, und wir verdanken Euch ohne Zweifel unsere Gesundheit. Ihr seid besser als jeder andere Spion und habt eine Spürnase wie ein Bluthund. Aber in diesem Fall versichern wir Euch: Es besteht nicht die geringste Gefahr. Schlagt Euch diese Frau aus dem Kopf, wir brauchen Euch für wichtigere Dinge.«
Matyas schwankte zwischen Stolz und Verzweiflung. Er hatte in der Tat bereits eine Verschwörung aufgedeckt. Karl sollte vergiftet werden, aber Matyas hatte von dem Plan erfahren und Karl die Möglichkeit verschafft, seine Widersacher zu überlisten und die Schlangengrube auszuheben. Letztlich war es ein überaus
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