Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
Wunde. Rebekka fischte die Münze des Königs aus der Tasche und drückte sie der Frau in die schmutzige Hand. Dann hastete sie weiter, ohne sich um die überschwänglichen Dankesworte der Bettlerin zu scheren.
Am anderen Ufer folgte sie dem Strom bis zu einem Platz, auf dem Markt abgehalten wurde. An einem Stand mit Tonwaren schalt ein Händler seinen kleinen Sohn, einen etwa achtjährigen Knaben, weil er offenbar einen Krug zerbrochen hatte.
Der Mann zog dem Jungen die Ohren lang und fluchte auf Deutsch. »Du Nichtsnutz! Pass gefälligst auf, wohin du trittst!«
Rasch sprach Rebekka den Mann an. »Verzeiht, ich suche die Kommende des Deutschen Ordens«, sagte sie. »Sie liegt im Osten der Stadt nahe dem Tor unmittelbar an der Stadtmauer. Glaubt Ihr, Euer Sohn könnte mir den Weg zeigen? Ich bin fremd in der Stadt.«
Der Händler ließ von dem Burschen ab und musterte Rebekka argwöhnisch. »Woher weiß ich, dass Ihr den Jungen nicht entführen wollt?«, fragte er.
Rebekka zog eine Münze hervor. Es war ihre letzte. Das andere Bargeld war bei Hermo Mosbach im Wald zurückgeblieben. »Selbstverständlich bezahle ich Euren Sohn für seine Dienste.«
Der Händler streckte die Hand aus. Plötzlich schien er keine Angst mehr zu haben, dass die fremde Frau sein Kind entführen wollte.
Rasch schloss Rebekka die Finger. »Das Geld bekommt er, wenn wir dort sind.«
Die Händler verzog das Gesicht, doch er gab seinem Sohn einen Schubs. »Das große Kloster am östlichen Tor, das kennst du doch?«
Der Junge nickte stumm.
»Dann los mit dir. Zeig der Frau, wie man dort hinkommt. Und komm bloß nicht ohne den versprochenen Lohn zurück, verstanden?«
Der Bursche setzte sich ohne ein weiteres Wort in Bewegung. Rebekka hatte Mühe, ihn im Gewimmel des Marktes im Auge zu behalten. Erst als sie den Platz endlich hinter sich gelassen hatten, holte sie ihn ein.
Wenig später stand Rebekka allein vor dem Tor einer mächtigen Klosteranlage. Der Bruder, der die Pforte bediente, war offenbar von Engelbert von der Hardenburg instruiert worden, denn er forderte sie auf, ihm zu folgen, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Sie durchquerten ein Gewölbe und traten in einen Garten, in dem der nahende Winter noch kaum zu sehen war. Das Laub leuchtete herbstlich bunt und ergänzte mit seinem Orange und Gelb das Violett des Eisenhuts und das Rot zahlreicher noch immer üppig blühender Rosenbüsche. Die Wärme und das Licht der Sonne fingen sich in dem Kreuzgang, die Luft duftete schwer wie an einem Spätsommertag. Der Ordensritter war von seinem Krankenlager aufgestanden und erwartete sie auf einer Bank. Er trug frische weiße Kleider, auch sein Bart war ordentlich gestutzt.
Rebekka freute sich, dass seine Genesung so schnell voranschritt. Sie nahm neben ihm Platz und reichte ihm das Dokument des Königs. Er las, lächelte und ließ das Pergament in den Falten seines Gewandes verschwinden.
»Soso, Amalie Severin, Nichte des Tassilo Severin, Tuchhändler zu Prag.« Von der Hardenburg rieb sich mit einem Finger über den Nasenrücken. »Ihr habt offenbar das Wohlgefallen des Königs erregt. Das ist sehr gut. Ihr werdet zu Eurem Oheim Tassilo Severin aufbrechen, sobald unsere kleine Unterredung beendet ist.«
»Aber ich wollte doch …«
»… in einem Kloster unterschlüpfen?«
Rebekka biss sich auf die Lippe. Nein, das hatte sie niemals vorgehabt. Das war nur die Geschichte gewesen, die ihr Vater dem Kaufmann aufgetischt hatte. Menachem ben Jehuda hatte gehofft, dass seine Tochter in Prag bei den Juden würde unterkommen können. »Nicht im Kloster«, sagte sie leise. »Bei meinen Brüdern und Schwestern im jüdischen Viertel.«
Engelbert beugte sich vor. »Wollt Ihr mir erklären, warum eine hübsche junge Jüdin wie Ihr sich Amalie Belcredi nennt? Wie lautet Euer richtiger Name, mein Kind?«
Rebekka zögerte, bevor sie leise antwortete. »Amalie Belcredi ist mein richtiger Name. Meine Eltern fanden mich vor ihrer Haustür, als ich noch ein Säugling war. Da sie selbst keine Kinder bekommen konnten, zogen sie mich groß. In meiner Heimatstadt Rothenburg ob der Tauber höre ich auf den Namen Rebekka bat Menachem. Ich weiß selbst erst seit wenig mehr als einer Woche von meiner wahren Herkunft.«
»Und nun seid Ihr nach Prag gekommen, um Eure leiblichen Eltern zu finden?«
Rebekka ergriff seine Hand. »Ihr habt angedeutet, dass Ihr den Namen Belcredi kennt. Was wisst Ihr über meine Familie?«
Der Ordensritter tätschelte ihre
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