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Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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früher. Heimliche Ausflüge zur alten Burg waren kaum noch möglich.
    Heute endlich hatte sich eine Gelegenheit ergeben; Mutter half in einem der Nachbarhäuser beim Nähen eines Brautkleides, Vater war unterwegs, um vor dem am Abend beginnenden Laubhüttenfest noch möglichst viele Krankenbesuche zu machen, und Rebekka hatte ihre Arbeiten zu Hause früher beendet als erwartet. Am Marktplatz hatte sie einen Jungen angesprochen und mit einer kurzen Nachricht zum Haus der Familie von Wallhausen geschickt. Wenn Vater bei ihrer Rückkehr Fragen stellte, würde sie ihm sagen, dass sie auf dem Markt Beifuß besorgt habe. Die Vorräte im Haus waren aufgebraucht. Das stimmte sogar, doch den Beifuß hatte sie sich längst beschafft, das Kraut führte sie in einem Leinenbeutel mit sich.
    Atemlos erreichte Rebekka das Stadttor. Die Wachen warfen ihr nur einen flüchtigen Blick zu, als sie passierte. Rasch eilte sie auf die Kapelle zu, um sich vor dem Regen zu schützen, der immer stärker fiel. Hoffentlich hatte Johann ihre Nachricht erhalten! Und hoffentlich war es ihm möglich zu kommen!
    Fröstelnd wartete Rebekka in der dämmrigen Ruine. Bei jedem Knacken fuhr sie herum, doch Johann tauchte nicht auf.
    Endlich hörte sie Schritte, und dann stand er vor ihr, das Haar tropfnass, ein breites Grinsen im Gesicht. »Du bist noch da, wie schön.«
    »Ich bin selbst eben erst gekommen«, log sie. »Ich warte noch nicht lange.«
    »Du siehst durchgefroren aus.« Er schaute sie besorgt an. »Ist dir kalt?«
    »Nur ein wenig.« Sie hielt ihm das Buch hin. »Hier. Danke, dass du es mir geborgt hast.«
    Er zog seinen Mantel aus und legte ihn ihr um die Schultern, erst dann nahm er das Buch entgegen. »Hat es dir gefallen?«
    »Die Verse sind wunderschön.« Rebekka hüllte sich in den Mantel. Er war warm und roch nach Johann.
    »Ich wusste, dass sie dir gefallen würden.« Er schwieg, blickte hinaus in den Regen. »Wir haben uns lange nicht gesehen. Was hast du den ganzen Sommer lang gemacht?«
    »Ich musste meinen Eltern zur Hand gehen, Mutter im Haushalt und Vater bei der Zubereitung von Medikamenten helfen. Außerdem …« Sie brach verlegen ab.
    »Außerdem?« Johann sah sie neugierig an.
    Sie senkte den Blick. Früher hatte sie das Gefühl gehabt, über alles mit ihm reden zu können. Aber wie sollte sie ihm davon erzählen, wie es war, nun eine Frau zu sein? Würde er das verstehen?
    »Ist etwas passiert?«, fragte er.
    »Ich … ich bin nun eine Frau.« Sie spürte, wie sie rot wurde. »Und das bedeutet, dass meine Eltern ein besonders strenges Auge auf mich haben. Sie haben sogar schon darüber gesprochen, wer als Ehemann für mich infrage kommen könnte.«
    »Oh.«
    Eine Weile schwiegen sie.
    »Ich habe auch viele Pflichten«, sagte Johann schließlich. »Ich muss Vater bei der Verwaltung der Güter helfen. Und darauf achten, dass das Gesinde anständig arbeitet. Erst heute Morgen hat Vater eine Magd dabei erwischt, wie sie aus der Speisekammer etwas von dem Kuchen entwendet hat, der für die Michaelisfeier bestimmt war.«
    »Michaelisfeier?«
    »Ja. Im Augenblick sind alle in der Kirche. Nur ich habe mich gedrückt. Der Herr wird mir verzeihen, hoffe ich.« Er schlug rasch das Kreuz.« Plötzlich leuchteten seine Augen auf. »Möchtest du mitkommen?«
    »In die Kirche?«, fragte Rebekka entsetzt.
    »Nein, zu mir nach Hause, es ist ja niemand da. Ich könnte dir das Haus zeigen. Und wir könnten etwas von dem Kuchen stibitzen.«
    »Ich weiß nicht.« Rebekka zögerte. Einerseits war sie neugierig, und die Aussicht, das prächtige Haus der Familie von Wallhausen einmal von innen zu sehen, reizte sie sehr. Andererseits raubte ihr die Angst davor, erwischt zu werden, fast den Atem. »Bestimmt darf ich den Kuchen gar nicht essen«, wandte sie ein.
    »Aber das Haus darfst du dir anschauen, oder?«
    Rebekka nickte. »Also gut.«
    Sie rannten los. Der Regen hatte nachgelassen, doch das Gelände um die Ruine war matschig, und auf dem Laub schimmerten Wassertropfen. Direkt hinter dem Stadttor begann die Herrngasse. Das Haus der von Wallhausens war eins der prächtigsten und stand gegenüber dem Kloster der Franziskaner. Sie schlichen durch das Tor auf den Hof. Einige Hühner stoben gackernd davon, ein riesiger schwarzer Hund erhob sich knurrend, ließ sich aber gleich wieder nieder, als er Johann erkannte.
    Rebekka folgte Johann durch eine Tür, einen Korridor entlang und eine Treppe hinauf, bis sie schließlich in einer Stube standen,

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