Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
herbei.
Die Ratsherren verbeugten sich tief und verließen rückwärts den kleinen Saal.
Bischof Montfort trat an Karls Seite.
»Mein guter Montfort.« Karl senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Sorgt bitte dafür, dass in Nürnberg genug Juden übrig bleiben. Wenn nötig, lasst sie entführen, oder bietet ihnen Geld und Privilegien, auch zukünftige Bürgerrechte. Stellt Passier- und Geleitscheine aus. Ihr wisst ja, wie man so etwas macht.«
Montfort faltete die Hände. »Gott will es.«
»So ist es, treuer Freund.«
Ein Hauptmann der Wache erschien und verbeugte sich. »Mein König, der Mann, den Ihr erwartet, ist da.«
Karl klatschte in die Hände. Endlich. »Er soll in unsere Schreibstube kommen.«
Der Hauptmann zog sich zurück, Montfort wandte sich Karl zu. »Darf ich Euch daran erinnern, dass noch viele Dokumente darauf warten, gesiegelt zu werden? Es sind Lehensverträge, Verpfändungen und wichtige Kaufverträge. Und wir müssen uns um die Reichskleinodien kümmern.«
Karls gute Laune verflog. Noch immer hatte er die Reichskleinodien, die Zeichen der rechtmäßigen Macht, nicht in seinem Besitz. Mit nachgemachten Insignien hatte er sich krönen lassen, was für ein Possenspiel! Und dennoch gab es etwas, das noch wichtiger war als Schwert, Zepter und Reichsapfel! »Ihr dürft, Montfort. Doch zuerst die Unterredung mit dem Boten. Sie ist wichtig. Vielleicht wichtiger als alle Verträge dieser Welt. Und wichtiger als unsere Krone.«
Montfort erbleichte. »Aber was …?«
Karl hob eine Hand. »Zu gegebener Zeit werden wir Euch einweihen.«
Montfort seufzte. »Ihr wisst, was Ihr tut, Majestät?«
Karl lachte. »Immer wenn Ihr Euch Sorgen um uns macht, werdet Ihr förmlich. Wir danken Euch dafür. Ihr wisst doch, dass wir Euren Rat schätzen.«
Montfort warf die Arme hoch. »Wenn es Euch beliebt, dann schon. Allerdings nur dann!«
»Aber wir tun es.« Karl wurde ernst. »Bitte kümmert Euch jetzt um die Nürnberger Juden. Und bereitet auch in anderen Städten, soweit Ihr es vermögt, alles vor, um einen Teil der Juden in Sicherheit zu bringen. Es gibt niemanden sonst, dem wir diesen Auftrag anvertrauen könnten.«
Montfort verbeugte sich tief. »Ich werde Euch nicht enttäuschen.«
»Und verschärft in unserem Land, in Böhmen und Mähren, und so weit unser Schwert reicht, die Strafen für alle, die Juden etwas antun, ohne dass ein Gericht es angeordnet hat.« Er überlegte kurz. »Wer einen Juden tötet, der soll ebenfalls getötet werden. Wer einem Juden etwas stiehlt, der soll seine rechte Hand verlieren. Wer einem Juden Übles nachsagt und ihm damit schadet, der soll verbannt werden auf ein Jahr und einen Tag. Lasst es überall verbreiten, und setzt es durch. In unserem Königreich geschieht unser Wille und der Wille Gottes!«
»Wie Ihr wünscht, mein Herr.«
Karl klopfte Montfort auf den Rücken. »Wir versprechen Euch, dass wir noch heute alle Dokumente siegeln werden, auf dass unsere Untertanen jederzeit wissen, dass ihr König nicht auf der faulen Haut liegt.«
Montfort zog sich zurück.
Karl eilte in seine Schreibstube, wo sein Bote wartete und sofort mit seinem Bericht begann.
»Herr, es gibt Neuigkeiten. Endlich. Nach all den Jahren vergeblichen Suchens habe ich ein Lebenszeichen gefunden. Einen Hinweis auf die ›Hüter der Christenheit‹.«
»Das habt Ihr uns schon in Eurer Nachricht angekündigt. Macht es nicht so spannend. Was habt Ihr uns zu sagen?«
»Ich habe ein Schreiben gefunden, das von Graf Vita Belcredi eigenhändig verfasst wurde und in dem er – ach, lest selbst.« Mit zitternden Fingern zog er ein Pergament hervor, das deutliche Brandspuren trug und nur zum Teil erhalten war.
Karl entrollte es und las.
Gott steh’ uns bei! Nirgends können wir Schutz finden. Überall Verrat und Feinde. Nur noch drei sind übrig, die schützen können, was …
Die Schrift wurde unleserlich, die Tinte war verwaschen, Karl suchte die nächsten lesbaren Worte.
… Gott wird uns beistehen. Er bewacht an unserer Stelle den Schatz, der sicher in den Mauern von … Wir jedoch müssen fliehen …
Immer wieder verschwamm die Schrift, ganz am Ende des Dokuments aber stand etwas, das Karl den Urheber des Dokuments verriet:
Herr, beschütze das Geheimnis, beschütze unsere Tochter Amalie, bis wir uns in Pasovary wiedersehen …
Karl atmete schwer. Also stimmten die Gerüchte: Amalie Belcredi war der Schlüssel zum wichtigsten Geheimnis der Christenheit. Wenn sie noch lebte. »Woher
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