Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
Abt ein vernünftiger Mann. Er wusste, dass er Kylion brauchte. Wem sonst sollte er diese schwere Aufgabe anvertrauen?
Kylion stieg in den Sattel. Mit bangem Herzen nahm er die Zügel und lenkte sein Pferd in Richtung Kloster. Indem er nicht floh, sondern sich dem Urteil seines Herrn stellte, würde er zeigen, dass er seines Vertrauens würdig war. Alles würde gut werden.
***
Rebekka trat durch die Tür in die kleine Kammer, die Engelbert für die Dauer ihres Aufenthalts mit Beschlag belegt hatte. Der Ordensritter saß an einem Tisch, auf dem ungeachtet der Fastenzeit Brot, Käse und einige Würste lagen. Ein Krug Wein und ein Becher standen daneben.
»Tretet näher, Rebekka, und bedient Euch!« Er bedeutete ihr, sich zu setzen.
Sie gehorchte stumm, doch sie rührte die Speisen nicht an. Wenn sie richtig gerechnet hatte, begann heute Chanukka, das Lichterfest. Wäre sie zu Hause, dürfte sie das erste Licht entzünden. Es gäbe süße Krapfen und andere Köstlichkeiten zu essen. Sie würden gemeinsam beten und singen, und Vater würde die Geschichte vom Makkabäeraufstand und der Wiedereinweihung des Tempels erzählen. Aber sie war nicht zu Hause. Sie hatte überhaupt kein Zuhause mehr.
Stattdessen saß sie in dieser Burg fest, in der Engelbert von der Hardenburg sich aus unerfindlichen Gründen häuslich niedergelassen hatte.
Rebekka hob den Blick und sah ihn an. »Wann brechen wir wieder auf?«
»Wenn die Gefahr vorüber ist, mein Kind. Keinen Moment früher.« Er schnitt ein Stück Käse ab und steckte es sich in den Mund. »Wir sind heute erst auf Mesenice angekommen. Und es ist doch sehr gemütlich. Wir haben Vorräte, die für den ganzen Winter reichen, wir haben einen Barden, dem niemals die Lieder ausgehen werden, weil er jeden Tag ein Loblied auf Eure Schönheit dichten kann. Die Mauern um uns herum sind stark, selbst ein Heer mit fünfhundert Speeren könnte sie nicht einnehmen.«
»Ihr wollt also tatsächlich mehr als ein paar Nächte hier verbringen? Was liegt Euch an dieser Burg? Hängt Ihr so an diesen Mauern, weil Ihr sie im Handstreich erobert habt? Weil Ihr sie eingenommen habt wie eine unschuldige Jungfrau, mit Lug und Trug?«
»Ihr seid in Form heute, liebreizende Amalie«, sagte Engelbert bewundernd. »Offenbar seid Ihr während Eures Aufenthalts bei den Nonnen nicht aus der Übung gekommen. Burg Mesenice ist alles andere als unschuldig, das solltet Ihr inzwischen wissen, und ich bin mitnichten ein Mann, der Jungfrauen mit Gewalt nimmt. Ich gehe noch nicht einmal in ein Frauenhaus.«
»Predigt einem anderem«, unterbrach sie ihn ungeduldig. »Ich will, dass Ihr Euren Eid einlöst.«
»Sobald wir nicht mehr Gefahr laufen, von unseren Feinden angegriffen zu werden, machen wir uns auf den Weg.«
»Aber wenn wir tagelang hier ausharren, geben wir dem Feind da draußen genügend Zeit, neue Kräfte zu sammeln.«
»Oho, Ihr beginnt, strategisch zu denken. Das freut mich.« Engelbert schenkte sich Wein ein. »Meine Männer achten darauf, dass sich vor den Toren von Mesenice nichts zusammenbraut. Keine Angst. Sie sind losgezogen, um den Anführer unserer Gegner ausfindig zu machen. Nur so können wir uns endgültig von ihnen befreien. Bis die Männer zurück sind, bleiben wir hier.«
»Der Anführer interessiert mich nicht. Ihr habt einen Eid geleistet, Engelbert von der Hardenburg! Ich verlange, dass Ihr ihn einlöst.« Rebekka schob ihren Stuhl zurück und erhob sich. »Wir haben unseren Auftrag erfüllt. Der König bekommt seine Reliquie. Genügt das nicht? Drei brave Männer sind tot. Warum wollt Ihr um jeden Preis weitere Leben aufs Spiel setzen?«
Engelbert, der gerade nach seinem Weinbecher greifen wollte, hielt in der Bewegung inne. »Ach ja, das hätte ich doch beinahe vergessen. Ich habe eine Überraschung für Euch. Deswegen habe ich Euch eigentlich kommen lassen.«
Er klatschte zweimal in die Hände. Die Tür öffnete sich, und ein Mann trat ein.
Einige Wimperschläge lang starrte Rebekka fassungslos in sein Gesicht, dann schrie sie vor Freude auf, rannte los und warf sich dem vollkommen verdutzten Vojtech in die Arme.
Sie löste sich, trat einen Schritt zurück. »Ihr lebt!« Ihr Herz machte wilde Sprünge vor Freude.
»So scheint es«, erwiderte er mit belegter Stimme. »Allerdings lässt mich Eure Begrüßung vermuten, ich sei im Himmel.«
Rebekka tippte ihm mit dem Zeigefinger auf die Nasenspitze. »Bildet Euch nur nichts ein, Ritter«, sagte sie.
»Das würde ich
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