Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
den schwarzen Schlund des Waldes. Schon nach wenigen Schritten war Bohumir neben ihr und griff ihr in die Zügel. Beide Pferde rammten ihre Hufe in den Boden, sodass es Rebekka fast aus dem Sattel schleuderte.
Einige Herzschläge lang hörten sie nur den Hufschlag und die Rufe ihrer Verfolger, wie schwarze Schatten ritten sie auf der Straße an ihnen vorbei. Dann ertönte erneut das Sirren von Armbrustbolzen.
»Keine Sorge«, flüsterte Bohumir ihr zu. »Diesmal gelten die Bolzen nicht uns, sondern unseren Verfolgern.«
Männer schrien auf, Befehle wurden gebrüllt. Rebekka hob den Kopf und blickte die Straße hinauf. Im Schein der Fackeln sah sie sechs Männer und vier Pferde am Boden liegen, deren Blut den Schnee rot färbte. Es war eine Sache von Sekunden gewesen, ein genau geplanter Hinterhalt. Die übrigen Angreifer suchten ihr Heil in der Flucht. Binnen weniger Augenblicke war nichts mehr von ihnen zu hören.
Engelbert von der Hardenburg trat auf den Weg, die Fackeln zeichneten irre Schatten auf sein Gesicht. Er hob das Schwert, und sofort hörten die Schützen auf zu schießen. Dann senkte er das Schwert und stieß es mit der Spitze in den Boden.
»Habt Ihr die Reliquie, Amalie?«, fragte er.
Schweigend hielt Rebekka ihm den Beutel hin.
Engelbert von der Hardenburg lächelte zufrieden. »Ich wusste, dass Ihr es schaffen würdet.«
Rebekka unterdrückte den Wunsch, ihm vor die Füße zu spucken. Drei Männer hatten sie verloren, darunter Vojtech von Pilsen, ihren Vertrauten. Aber das schien die gute Laune des Ordensritters nicht zu beeinträchtigen. Der Teufel selbst hätte nicht herzloser sein können.
***
Es hatte nichts genutzt. Selbst als Kylion vor den Augen der Äbtissin eine Nonne von vier Männern hatte vergewaltigen und ihr dann die Kehle durchschneiden lassen: Keine der Schwestern konnte ihm etwas sagen. Sie wussten nur, dass die fremde Frau ihr Gedächtnis verloren hatte. Und dass der Schädel des heiligen Wenzel verschwunden war. Sonst nichts. Gern hätte er die Mönche ebenfalls befragt, aber die Zeit war ihm davongelaufen. Eine der verfluchten Nonnen war seinen Männern entkommen und hatte Alarm geschlagen. Schon bald hatten die Sturmglocken durch Znaim geläutet, sodass sie Hals über Kopf fliehen mussten.
In Windeseile hatten sie sich über die Thaya zurückgezogen und waren in die Wälder geflüchtet. Um Mesenice hatten sie einen großen Bogen gemacht und auch die Städte gemieden. Die Nachrichten über die Ereignisse in Louka würden sich wie ein Lauffeuer verbreiten. Wenn man sie erwischte, würde man sie rädern und an ihren Geschlechtsteilen aufhängen, das stand fest.
Nach und nach löste Kylion seine Truppe auf. Nur zwei Männer behielt er bei sich. Sein Treffpunkt mit Fulbach lag gut fünfzehn Meilen südöstlich von Prag, ein Kloster, dessen Verwaltung dem Abt oblag.
Nach nur zwei Tagen kamen die Mauern des Konvents in Sicht. Kylion hielt an, entließ seine Begleiter und entlohnte sie reichlich für ihre treuen Dienste. Nachdem die beiden fort waren, stieg er ab und betrachtete die Gebäude des Klosters. In diesen Mauern wandelte der Vollstrecker seines Schicksals: Fürstabt Fulbach. Was hatte Kylion zu erwarten? Der Abt hatte ihm gedroht, ihn zu töten, wenn er ein weiteres Mal versagte. Er hatte ein weiteres Mal versagt, und der Abt pflegte seine Versprechen zu halten.
Andererseits hatte Kylion nicht damit rechnen können, dass von der Hardenburgs Männer sich als Mönche verkleiden und wochenlang im Kloster ausharren würden. Es war ihm ein Rätsel, wie der Prior zulassen konnte, dass sich bewaffnete Männer innerhalb der Klostermauern aufhielten. Von der Hardenburg hatte mit Sicherheit viel Geld springen lassen. Sehr viel Geld.
Und es gab noch etwas, das für Kylion sprach: Er hatte noch immer seinen Spion in Engelbert von der Hardenburgs Truppe. Der Mann hatte ihn zwar nicht vor der Gefahr warnen können, die im Kloster lauerte, doch das war nicht seine Schuld gewesen. Er hatte einfach keine Gelegenheit dazu gehabt, denn Kylion hatte ihm eingeschärft, auf keinen Fall zu riskieren, dass er enttarnt wurde. Jetzt hatte er ihm neue Instruktionen gegeben. Und Kylion war sicher, dass er sie befolgen würde, dass sein Spion ihm nach wie vor ergeben war. Sehr ergeben. Denn er hatte keine Wahl.
Kylion straffte die Schultern. Würde Fulbach ihm noch einmal verzeihen und ihm die Möglichkeit geben, Amalie Belcredi doch noch zu ergreifen? Er musste es tun. Schließlich war der
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