Die Residenz des Doktor Rattazzi: Roman (German Edition)
sah, wie Renzo, von drei, vier Unbekannten festgehalten, sich schreiend zu entwinden versuchte. Er erschrak fürchterlich. Lebhaft kehrte ihm die Erinnerung an die brennenden Peitschenhiebe zurück, die sein Vater ihm versetzt hatte, an die Ohrfeigen, die er jedesmal bekam, wenn er sich hartnäckig weigerte, auf Sätze zu reagieren, die er nicht verstand, und lieber den Stimmen in seinem Kopf folgte als den Befehlen, die dieser Mann ihm entgegenschleuderte, glühendheiß wie kochendes Öl.
Die Wände der Küche kamen auf ihn zu, und ihm stockte der Atem. Darum ging er hinaus, ins Freie, wo er atmen konnte. Aber auch dort hörte er die Schreie und Renzo, der jaulte, schlimmer als ein Hund. Also fing er an zu laufen, rannte auf die Zypressen zu, die die Straße zur Schlucht säumten, über die Wiese, den Hügel hinauf, egal wohin, wenn er nur weit weg von den Stimmen war, die in seinem Kopf dröhnten.
Rattazzi hatte Malfatti mit weit geöffnetem Mund und blankem Entsetzen in den Augen an der Küchentür stehen sehen. Auch er sah die Wände näher kommen und sich um diese arme Seele schließen, auch er fühlte, wie ihm der Atem stockte, als wäre die Lunge des Unglücklichen seine eigene. Er hörte, wie Renzos Schreie sich in Malfattis Kopf in Befehle verwandelten, in Kommandos, in unablässig schreiende Stimmen. Und schon stürzte er hinter der Verzweiflung her, die Renzo schon weiter als bis zum Schuppen getrieben hatte, rannte mit der ganzen Kraft, die ihm in seinem fortgeschrittenen Alter zur Verfügung stand, angetrieben von einer Angst und einem Schmerz, die nicht die seinen waren, die er aber mit dem teilen zu müssen glaubte, dessen Schutz und Pflege ihm oblag.
Es brauchte eine gute Weile, bis wieder ein wenig Ruhe in den Zimmern einkehrte, die Angst der Kranken beschwichtigt und dem Ärger der Partisanen Paroli geboten wurde, die ihre Mahlzeit in größter Eile beendeten und wütend und mit bösen Blicken das Haus verließen, nicht ohne unverhohlene Verwünschungen gegen die Bewohner auszustoßen.
Die Gewehre in der Hand, stieg die Gruppe hinter dem Hügel in die Berge von Prati hinauf. Von Zeit zu Zeit blickten die Männer hinter sich, um sich zu vergewissern, dass keine Deutschen zu sehen waren und sie sich von dem Haus entfernten, wo Marcella, Beniamino und die anderen geduldig die Aufregung zu dämpfen versuchten, die der Besuch verursacht hatte.
Als sich die armen Seelen im Pianoro endlich wieder beruhigt hatten, ging Beniamino hinaus, um Malfatti und Rattazzi zu suchen. Es hatte, während er Renzo vor dem Zorn der Soldaten schützte, genau gesehen, dass der Arzt hinter Malfatti herlief, der in Richtung Straße flüchtete. Doch jetzt, eine gute halbe Stunde später, sah er die beiden noch immer nicht auf den Hof zurückkehren und wurde nervös.
Er wechselte einen besorgten Blick mit Marzi. Malfatti war jung und gut zu Fuß, für den armen Rattazzi würde es nicht leicht sein, ihn aufzuhalten und zurückzubringen.
»Wir gehen die beiden suchen«, sagte er zu Marcella und eilte mit Marzi so schnell er konnte zur Straße.
Im stillen verfluchte er Castellucci wegen seines hinkenden Gangs, der es ihm verwehrte, seine Angst durch schnelles Laufen zu vertreiben. Die ganze Welt verfluchte Beniamino, den Irrsinn des Krieges und die Grobheit der Partisanen, die ihn getroffen hatte wie ein Schlag ins Gesicht. Nicht wegen ihrer Reaktion auf Bardi, denn es war richtig und notwendig gewesen, dass sie ihn gehindert hatten, die Maschinenpistole anzufassen. Nein, es war wegen ihres entnervten Getues, wegen des Missmuts, den er den Gesichtern und Verhaltensweisen dieser Männer angesehen hatte, die doch immerhin gastfreundlich aufgenommen worden waren. Beniamino ging schnell, trotz seines Hinkebeins, und kämpfte mit einem dumpfen Zorn, den er mit vernünftigen Einwänden nicht beschwichtigen konnte, obwohl er im Verhalten der Partisanen die übliche Abwehr hätte erkennen können, mit der fast alle Menschen reagierten, wenn sie sich plötzlich Renzos irren Blicken oder Mitas Zittern, dem Gemurmel von Cavani oder dem unentwegten Schaukeln von Girolamo Malfatti gegenübersahen.
Mit Vernunftgründen konnte Beniamino diese Reaktion erklären, aber auch das tröstete ihn nicht. Im Gegenteil, sie kränkte ihn, es kränkte ihn, dass es nicht möglich war, die Köpfe der Menschen zu befreien, bevor man die Städte, Häuser oder Plätze befreite.
Hinkend versuchte er, diesen Zorn unter Kontrolle zu halten, in den sich
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