Die Rettung Raphael Santiagos: Die Chroniken des Magnus Bane (6) (German Edition)
versicherte Magnus und er meinte es auch so.
Er hatte es jetzt eilig. Denn bevor er das Hotel Dumont aufsuchte, das von Vampiren bevölkert wurde, seit die Sterblichen es in den 1920ern sich selbst überlassen hatten – und wohin Raphael und seine Freunde aufgebrochen waren –, musste er erst noch einige Erkundigungen einholen. Die anderen Schattenweltler hatten sicher schon von dem Vampir gehört, der so schamlos gegen das Gesetz verstieß, auch wenn sie sich vielleicht noch nicht entschlossen hatten, die Schattenjäger zu benachrichtigen, weil sie hofften, die Vampire würden das untereinander ausmachen.
Guadalupe hatte nun allerdings seine Hand ergriffen und klammerte sich an ihn. Ihr Blick war nicht länger herausfordernd, sondern flehentlich. Magnus hatte den Eindruck, dass sie niemals für sich selbst um etwas gebeten hätte. Für ihren Sohn war sie jedoch zu allem bereit.
»Ich habe ihm eine Kette mit einem Kreuz geschenkt«, sagte sie. »Der Padre von St. Cecilia hat sie mir höchstpersönlich überreicht und ich habe sie an Raphael weitergegeben. Es ist ein kleines Goldkreuz; daran können Sie ihn erkennen.« Sie nahm einen zittrigen Atemzug. »Ich habe ihm ein Kreuz geschenkt.«
»Damit haben Sie ihm eine Chance verschafft«, erwiderte Magnus.
Wenn du Klatsch über die Vampire hören willst, geh zu den Feenwesen, wenn du Klatsch über die Feenwesen hören willst, geh zu den Werwölfen, aber verbreite niemals Klatsch über Werwölfe, denn sonst reißen sie dir den Kopf ab – das war Magnus’ Motto.
Zufälligerweise kannte Magnus eine Fee, die in Lou Walters’ Nachtclub im Latin Quarter arbeitete, der schmuddeligeren und schmuckloseren Seite des Times Square. Er war einige Male dort gewesen, um die Auftritte von Mae West zu sehen, und dabei war ihm eine Tänzerin im Hintergrund aufgefallen, die ihre Feenflügel und ihre blasslila Haut hinter einem Zauberglanz verbarg. Aeval und er waren seitdem miteinander befreundet – so eng man halt befreundet sein konnte, wenn es beiden Seiten lediglich um Informationen ging.
Sie saß auf der Treppe und trug bereits ihr Kostüm, das einen großzügigen Blick auf jede Menge lila Haut freigab.
»Ich bin hier mit einer Fee verabredet. Es geht um einen Vampir«, sagte er leise und sie lachte nur.
Magnus konnte das Lachen nicht erwidern. Er spürte, dass er die Erinnerung an Guadalupes Gesicht oder die Art, wie sie sich an ihn geklammert hatte, nicht so schnell würde abschütteln können. »Ich suche einen Jungen. Ein Mensch. Wurde wahrscheinlich von einem aus dem Clan von Spanish Harlem entführt.«
Aeval zuckte mit den Achseln. Selbst diese Geste wirkte bei ihr anmutig und fließend. »Du weißt doch, wie die Vampire sind. Könnte jeder von ihnen gewesen sein.«
Magnus zögerte, dann fügte er hinzu: »Es heißt, dieser Vampir mag es besonders jung.«
»Wenn das so ist …« Aeval flatterte mit ihren Flügeln. Selbst die hartgesottenen Schattenweltler schraken vor der Vorstellung zurück, Jagd auf Kinder zu machen. »Könnte sein, dass ich mal was über einen Louis Karnstein gehört habe.«
Magnus bedeutete ihr, weiterzusprechen. Gleichzeitig beugte er sich vor und schob seinen Hut in den Nacken, damit sie ihm ins Ohr flüstern konnte.
»Er ist erst vor Kurzem aus Ungarn gekommen. Er ist alt und sehr mächtig, deshalb hat Lady Camille ihn gerne aufgenommen. Zudem hat er eine ausgeprägte Schwäche für Kinder. Er glaubt, ihr Blut sei besonders rein und süß, so wie junges Fleisch besonders zart ist. Die Irdischen haben ihn aus Ungarn verjagt, als sie seinen Unterschlupf gefunden haben … und die ganzen Kinder darin.«
Retten Sie Raphael, dachte Magnus. Seine Mission schien von Minute zu Minute aussichtsloser zu werden.
Aeval sah ihn mit ihren großen, mandelförmigen Augen an, in denen ein Anflug von Besorgnis lag. Wenn selbst die Feenwesen besorgt waren, gab es allen Grund zur Panik.
»Sieh zu, dass du das geregelt kriegst, Hexenmeister«, sagte sie. »Du weißt, was die Schattenjäger machen, wenn ihnen das zu Ohren kommt. Wenn Karnstein hier in unserer Stadt nach seinen eigenen Regeln spielt, werden wir alle dafür bezahlen. Die Nephilim werden jeden Vampir töten, der ihnen über den Weg läuft. Dann heißt es für uns alle: Erst die Seraphklinge, dann die Fragen.«
Normalerweise machte Magnus einen Bogen um das Hotel Dumont, wann immer es ging. Das Gebäude war verfallen und löste in ihm Beklemmungen und ungute Erinnerungen aus; außerdem
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