Die Rettung
Gesellschaft leiste, während Sie warten?« Er klang, als setze er ihre Zustimmung voraus, wirkte dabei aber in keinster Weise arrogant. Erleichtert nahm sie zur Kenntnis, dass er die Möglichkeit, Kenneth könne zurückkommen, um sie erneut zu belästigen, während sie allein auf dem verlassenen Parkplatz stand, mit keinem Wort erwähnte.
»Das wäre mir sehr lieb«, erwiderte sie schlicht. »Aber wollen Sie sich nicht setzen?« Sie schloss die Beifahrertür auf und öffnete sie, dann nahm sie selbst auf dem Fahrersitz Platz.
Nachdem sie die Zündung eingeschaltet hatte, betätigte sie den Schalter für die beiden vorderen Fenster, um etwas frische Luft hereinzulassen. Der SUV hatte den ganzen Tag in der prallen Sonne gestanden; im Wageninneren war es heiß und stickig. Eine Weile herrschte Stille.
Endlich meinte Barri leise: »Ich bin Ihnen wirklich dankbar, dass Sie sich solche Mühe machen. Jetzt habe ich Ihnen Ihren wohlverdienten Feierabend verdorben.«
Dr. Bartleby zuckte die Schultern. »Halb so schlimm.«
Dann blickte er zu ihr hinüber. Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, bekam seine unverbindliche Fassade Risse. »Ich meine, ich hatte ohnehin keine Pläne für den Abend, und ich freue mich über jede Gelegenheit, einer Dame in Nöten zu Hilfe zu eilen. Das poliert mein Ego auf, wissen Sie!«
Barri musterte ihn verstohlen. Meinte er das ernst oder machte er sich über sie lustig? Als sie das breite Grinsen auf seinem Gesicht sah, kicherte sie leise und entspannte sich ein wenig. »Fühlen Sie sich gern als Held?«
Er setzte eine todernste Miene auf. »Natürlich. Ich streife ständig über menschenleere Parkplätze, um Frauen zu finden, die dringend meines Handys bedürfen. Bei meinem Automobilclub wundern sie sich schon, wieso mein Wagen dauernd Pannen hat.«
Beide mussten lachen. Dann machte sich wieder Schweigen zwischen ihnen breit, während sie die Autos beobachteten, die die Tankstelle neben dem Parkplatz anfuhren und wieder verließen. Endlich bemerkte Bartleby: »Ich fand es bewundernswert, wie Sie Ihrem Exmann heute die Stirn geboten haben. Die meisten Frauen hätten sich ins Schwesternzimmer oder in die Damentoilette geflüchtet. Aber Sie haben sich von ihm nicht einschüchtern lassen. Dazu gehört eine Menge Mut.«
»Den Sie mir gar nicht zugetraut hätten, nehme ich an.«
Er beeilte sich, ihr zu versichern, dass sie ihn falsch verstanden hatte, woraufhin sie hastig stotterte, sie habe nur Spaß gemacht.
Wieder trat eine verlegene Stille ein. Barri verwünschte insgeheim ihr lockeres Mundwerk, doch zu ihrer Überraschving fragte Dr. Bartleby sie nach ein paar Minuten: »Hätten Sie nicht Lust, irgendwann diese Woche einmal mit mir essen zu gehen?«
Barri schnappte hörbar nach Luft. »Sie wollen mit mir ausgehen?«
Er lächelte ein wenig, dann sah er angelegentlich aus dem Fenster. »Ja. Wir könnten nach Nashville fahren. Es wird bestimmt ein netter Abend.«
Barri konnte nicht anders, sie musste das Lächeln erwidern. »O ja«, sagte sie leise. »Das wäre schön.«
»Ausgezeichnet. Dann hat es sich ja gelohnt, dass ich Ihre Reifen aufgeschlitzt habe.« Als sie verwirrt die Stirn runzelte, beruhigte er sie rasch: »Diesmal habe ich nur Spaß gemacht.«
Barri schmunzelte. Bei der Aussicht auf eine Verabredung begann ihr Herz schneller zu schlagen. Sie hatte fast vergessen, wie es war, mit einem Mann zu plaudern.
Kurz nachdem sie an diesem Abend zu Bett gegangen war, wurde sie von einem lauten Klopfen geweckt. Sie setzte sich auf und blickte sich in dem vom Mondlicht schwach erleuchteten Zimmer um, um festzustellen, wo das Geräusch herkam. Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, dass jemand vor der Hintertür stand und gegen die Sperrholzplatte pochte. Sie stieg aus dem Bett und schlupfte in ihren Morgenmantel. Der Boden unter ihren Füßen war eiskalt, doch sie hielt sich nicht damit auf, nach ihren Hausschuhen zu suchen.
Da sie nach dem Zwischenfall mit Kenneth vorsichtig geworden war, knipste sie kein Licht an, sondern ging erst leise zum Küchenfenster, um nachzusehen, wer da vor der Tür stand. Erschrocken fuhr sie zusammen, als ihr Blick auf einen uniformierten Polizisten fiel, dessen Gesicht im Schein der Halogenlampen auf der Main Street geisterhaft bleich wirkte. Er hielt ein Notizbuch in der Hand und blickte direkt auf das Küchenfenster, schien sie aber im Dunkeln nicht zu sehen.
Barri schlug das Herz bis zum Hals. Gab es Neues über Dylan? Hatte man etwa seine
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