Die Rettung
Leiche gefunden?
Doch gleich darauf schalt sie sich eine Närrin. Es war mitten in der Nacht. Von Dylan fehlte seit über zwei Jahren jede Spur - wenn sich etwas Neues ergeben hätte, wäre ihr das sicherlich erst morgen früh mitgeteilt worden. Barri begann sich über sich selbst zu ärgern. Sie musste wirklich aufhören, immer noch auf ein Wunder zu hoffen, damit erreichte sie nur, dass sie überall Gespenster sah. Tief Atem holend zog sie den Gürtel ihres Morgenmantels enger und ging zur Tür, um festzustellen, was die Polizei so spät noch von ihr wollte.
Der Cop drehte sich um, als sie die Tür öffnete. Er war noch sehr jung und hatte einen blonden Bürstenhaarschnitt. »Guten Abend, Ma'am. Entschuldigen Sie die späte Störung.« Er blickte auf die Visitenkarte in seiner Hand. »Ich würde gern mit Dylan Matheson sprechen.«
Ein eisiger Schauer rann ihr über den Rücken. »Es tut mir Leid, aber Dylan ist nicht hier. Er ... er starb vor zwei Jahren.« Erstaunt registrierte sie, dass sie sich für Dylans Tod entschuldigte.
Der Polizist runzelte die Stirn. »Aber er hat doch früher hier gewohnt? Ich habe draußen am Vordereingang seinen Namen gelesen.«
»Dylan war mein Sohn. Er hat tatsächlich hier gelebt, aber nach seinem Tod bin ich in seine Wohnimg gezogen.« Allmählich fragte sie sich, worauf das alles hinauslaufen sollte. Es war kalt an der Tür, und sie war todmüde. Der Mann konnte keine neuen Informationen über Dylans Verschwinden haben, wenn er noch nicht einmal wusste, dass ihr Sohn tot war, und sie wollte zurück ins Bett.
Der Polizist klappte sein Notizbuch auf. »Kennen Sie einen Kenneth Matheson?«
Wieder nickte sie. »Das war mein Mann. Wir sind geschieden.« Lieber Gott, was hatte Kenneth denn so Schlimmes angestellt, dass die Polizei deswegen mitten in der Nacht zu ihr kam? Resigniert sah sie den jungen Beamten an.
Der trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Ich fürchte, ich habe eine schlechte Nachricht für Sie, Ma'am.« Er zuckte die Schultern. »Oder auch nicht, ganz wie man's nimmt.«
»Es tut mir Leid, aber ich verstehe immer noch nicht, was Sie meinen.« Es fiel Barri schwer, höflich zu bleiben. Am liebsten hätte sie ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen.
Der Polizist holte tief Luft und fuhr fort: »Kenneth Matheson kam heute Abend bei einem Autounfall ums Leben. Bei ihm zu Hause hat niemand aufgemacht. In seiner Brieftasche fanden wir die Visitenkarte eines Dylan Matheson, eines Verwandten vermutlich, deshalb dachten wir, er könnte uns helfen, den nächsten Angehörigen ausfindig zu machen. Das sind demnach wohl Sie?«
»Er hat noch eine Schwester, sie wohnt auf der anderen Seite des Creek.« Im selben Moment, wo sie das sagte, fragte sie sich, wieso Kenneth eigentlich diese Visitenkarte bei sich gehabt hatte. Sie hatte sie ihm nach der Eröffnung von Dylans Studio gegeben, aber Kenneth hatte weder an der Karte noch an dem Studio noch an Dylan selbst je großes Interesse gezeigt.
Dann erst ging ihr auf, was der junge Mann gerade gesagt hatte. Sie blinzelte verwirrt. Bestimmt hatte sie sich verhört. »Er ist tot?« Das konnte nicht sein. Wenn Kenneth tot war, stand sie ganz allein auf der Welt. »Kenneth ist tot?« Kenneth konnte nicht tot sein. Seit so langer Zeit war er ein fester Bestandteil ihres Lebens gewesen. Undenkbar, dass es ihn auf einmal nicht mehr geben sollte.
»Ja, Ma'am. Er ist vor ein paar Stunden draußen auf der Umgehungsstraße frontal gegen einen Laternenmast geprallt. Er muss sofort tot gewesen sein.«
Barri seufzte. »Er war betrunken, nehme ich an.«
»Ja, Ma'am, allerdings. Sein Blutalkoholspiegel lässt darauf schließen, dass er hinter dem Steuer das Bewusstsein verloren hat.«
Sie brauchte eine Weile, um diese Nachricht zu verarbeiten. Es erschien ihr so unwirklich, dass Kenneth nicht mehr am Leben sein sollte. Nach einer Weile fragte sie: »Ist sonst noch jemand verletzt worden?«
»Nein, Ma'am.«
»Gott sei Dank.« Der Polizist wartete geduldig, während sie nach Worter suchte. Schließlich erkundigte sie sich: »Brauchen Sie mich heute Nacht noch? Muss ich ihn identifizieren oder so etwas?«
»Nein, Ma'am, heute nicht mehr. Ich wollte Ihnen nur berichten, was passiert ist. Sie oder Mr. Mathesons Schwester können sich morgen früh im Krankenhaus melden und alles Nötige in die Wege leiten.« Der Polizist überreichte ihr seine eigene Karte, wünschte ihr eine gute Nacht und stieg vorsichtig die morschen Stufen
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