Die Rettung
Er wird ja nicht so dumm sein, sie bis zum Eintreffen der Spirit im Tolbooth festzuhalten.«
Dylan schüttelte den Kopf. »Auf den Docks waren sie auch nicht, sonst hätte Seumas sie gefunden.« Er erhob sich; bereit, sich sofort auf die Suche nach Sarah zu machen, doch er wusste nicht, wo er damit anfangen sollte. »Sie haben eine ganze Woche Vorsprung. Sinann, was soll ich tun, wenn sie schon auf dem Weg nach Singapur ist?«
Es klopfte an der Tür. Dylan drehte sich um. »Aye?«
Eine Jungenstimme ertönte auf der anderen Seite, es war Eóin. »Dylan Dubh, Coinneach ist für die Beerdigung hergerichtet. Die anderen warten im Burghof, um ihn zum Friedhof zu bringen.«
»Gut, ich komme sofort.« Dylan fuhr sich mit den Fingern durch das Haar, dann ging er in den Burghof hinunter, um seiner Pflicht als Laird nachzukommen und dem Toten das letzte Geleit zu geben.
Die Beerdigimg fand in aller Stille im grauen Mondlicht statt. Nur Dylan, Coinneachs engste Familienangehörige -Dùghlas und zwei Schwestern - sowie Robin und Tormod, die Dylan und Dùghlas geholfen hatten, den Leichnam zu tragen, nahmen daran teil. Sowie das Grab zugeschüttet war, traten alle wortlos den Heimweg an. Ein frisches Grab würde inmitten all derer, die in der vergangenen Woche ausgehoben worden waren, gar nicht auffallen.
Auf dem Rückweg zur Burg grübelte Dylan unentwegt darüber nach, wo Bedford Sarah wohl versteckt hielt. Er wusste, dass dies ein Ort irgendwo in der Nähe von Edinburgh sein musste, denn dort hatte er vor Jahren beobachtet, wie weiße Gefangene vom Kai an Bord des Sklavenschiffs geschafft worden waren. Aber obwohl sich Seumas damals alle Mühe gegeben hatte, das Versteck ausfindig zu machen, hatte er nichts entdecken körinen. Sarah konnte überall und nirgendwo festgehalten werden.
Gegen Mitternacht stieg er, gefolgt von Sinann, die Treppe des Westturms empor, wo das Gästezimmer hergerichtet worden war. Ciaran und Sile schliefen schon. Dylan schloss lautlos die Tür hinter sich und blieb einen Moment mit der Kerze in der Hand neben dem Bett stehen, um seine Kinder zu betrachten. Sie sahen ihm so ähnlich und waren doch so anders als er.
Auch er brauchte dringend etwas Schlaf, aber er wusste, wenn er jetzt zu Bett ging, würde er nur die Kinder wecken, aber selbst nicht zur Ruhe kommen. Also stellte er die Kerze auf dem Waschtisch ab, setzte sich auf den Stuhl neben dem Feuer und legte noch einen Torfballen auf die Flammen. Sinann kauerte sich neben ihn auf den Boden.
»Ruh dich ein wenig aus, mein Freund«, flüsterte sie.
Dylan schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht. Ich muss überlegen, wie ich Sarah helfen kann. Wenn ich aufs Geratewohl die Gegend um Edinburgh absuche, werde ich sie nie finden. Bedford und Felix würden sie töten oder fortschaffen, sobald sie erfahren, dass ich nach ihr suche. Es muss noch einen anderen Weg geben.«
Während er ins Feuer starrte, nahm ein Gedanke in seinem Kopf Gestalt an. »Sinann ... Ramsay kennt das Versteck.«
»Natürlich.«
»Wo auch immer er jetzt sein mag, seine Seele wird es mir verraten können. Es gibt da eine Beschwörung ...«
»Nein! Du verfügst nicht über die nötige Macht für so einen Zauber!« Sinann flatterte erschrocken auf.
Dylan legte einen Finger an die Lippen, obwohl die Kinder sie gar nicht hören konnten. »Es ist die einzige Möglichkeit, Sarah zu retten.«
»Aber ein Geist von drüben ... das ist etwas anderes, als ein lebendes Wesen herbeizuzaubern. Du weißt nie, was passiert, wenn du die Grenze überschreitest. Du setzt Kräfte frei, die du nicht kontrollieren kannst.«
Dylan blickte zu ihr auf. »Ich muss es versuchen.«
»Nein.«
»Doch. Anders geht es nicht.«
Sinann landete wieder auf dem Boden und straffte sich. Ein triumphierender Funke glomm in ihren Augen auf. »Du kannst Ramsays Seele gar nicht beschwören, dazu brauchst du nämlich etwas, was ihm gehört hat. Und das Gold, das du bei ihm gefunden hast, ist längst ausgegeben, und seine Kleider sind verbrannt.«
»Ich habe doch noch seine Waffe, dieses Rapier.«
Sinann schüttelte den Kopf. »Das gehört ihm nicht mehr. Robin hat es in der Schlacht getragen und Menschen damit getötet.«
Dylan runzelte die Stirn. Dann schob er eine Hand unter sein Hemd. Wo waren die Zähne geblieben? Wann hatte er sie zum letzten Mal gesehen? »Die Zähne! Ramsays Zähne. Wo sind sie?«
»Hast du sie nicht in den See geworfen?«
»Nein. Ich hatte es vor, aber ich bin nicht dazu gekommen.
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