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Die Rettung

Titel: Die Rettung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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Es war ein Todesgesang; um Ramsay zurückzuholen, musste er sich selbst bis nah an die Grenze zur anderen Seite wagen.
    Wieder und wieder intonierte er die Worte und atmete dabei den Rauch aus dem schwarzen Tuch ein, bis die Macht ihn ganz ausfüllte und er anfing zu zittern. Die Luft vibrierte vor Energie. Als er die Stimme hob, spürte er, wie sich Himmel und Erde durch ihn verbanden. Er breitete die Arme weit aus, den Blick fest auf den Mond gerichtet. Die Erde hob sich unter seinen Füßen, und die Luft teilte sich.
    Eine eisige Kälte drang ihm bis ins Mark, dann schoss ein scharfer Schmerz durch seinen Körper, und er schrie auf. Unter Aufbietung all seiner Willenskraft gelang es ihm, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Jede Bewegung wurde zur weiß glühenden Qual, trotzdem bückte er sich, hob den Zweig mit den eingeschnitzten Zeichen auf und hielt ihn in das Mondlicht.
    Nach einer Weile warf er ihn in das Feuer, dann ließ er das Bündel mit den Zähnen gleichfalls in die Flammen fallen.
    Jetzt konnte er nur noch warten. Dabei musste er das Tor offen halten, ohne selbst auf die andere Seite gezogen zu werden. Obwohl sich die Welt um ihn herum zu drehen begann, blieb er aufrecht vor dem Feuer stehen, während sich sein Geist auf die Suche nach Ramsay begab. Ein Übelkeit erregender Geruch nach Fäulnis und Verwesung hing in der Luft. Dylan spürte förmlich, wie das Böse von ihm Besitz ergriff und seine Seele schwarz verfärbte. Der Schmerz war nahezu unerträglich.
    »Ramsay!«, brüllte er.
    Er erhielt keine Antwort. Alles um ihn war öd und leer.
    »Ramsay!« Das Zittern steigerte sich zu konvulsivischen Zuckungen, bis er meinte, sein Körper werde in Stücke gerissen. Wieder durchschritt sein Geist das Tor, doch als er auf Ramsay traf, wäre er beinahe zurückgezuckt. Mehr als alles andere wünschte er sich, das Tor wieder zuzuschlagen und diesen Ort so schnell wie möglich verlassen zu können.
    Ramsays Seele war ein Abgrund des Bösen, ein Morast unaussprechlicher Verderbtheit. Durch Dylan sickerte sie langsam wieder in die Welt und brachte all die entsetzlichen Dinge mit sich, die Ramsay getan hatte, als er noch am Leben gewesen war. In diesem Moment erfuhr Dylan am eigenen Leibe, was seiner Frau zugestoßen war. Er selbst war Ramsay; er sah ihre Tränen, als er sie mit Gewalt nahm, und hörte, wie sie wieder und wieder seinen Namen rief und um Hilfe flehte, die viel zu spät kommen würde. Er spürte den Widerstand ihres Fleisches, als er ihr das Bajonett durch die Kehle bis in den hölzernen Tisch trieb. Ihr warmes Blut quoll über seine Hände, während sie sich mit letzter Kraft zur Wehr setzte.
    Dylan versuchte verzweifelt, sich aus dem entsetzlichen Albtraum zu befreien. Keuchend rang er nach Atem; heiße Tränen rannen über seine eiskalten Wangen.
    Ramsays schwärzlich verfärbte Zähne wirbelten aus dem Feuer hoch, tanzten durch die Luft und ordneten sich dann vor Dylan so an, wie sie einst in Ramsays Mund gesessen hatten. Um die körperlosen Zähne herum bildete sich die gespenstische, durchscheinende Silhouette von Ramsays Körper. Mit rehledernen Hosen und Samtwams bekleidet stand er auf der Lichtimg und blickte sich mit müder Gleichgültigkeit um, bevor er die umschatteten Augen auf Dylan richtete. Er wirkte genauso blasiert wie zu seinen Lebzeiten.
    Dylan hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Seine Knie drohten Vinter ihm nachzugeben. Die Kälte war kaum noch zu ertragen; bei jedem Atemzug stachen tausend eisige Nadeln in seine Lungen. »Wo ist sie?«
    Träge antwortete Ramsay mit klickenden Zähnen:
    »Wer?«
    »Sarah. Wo ist Sarah?« Dylan spürte, wie seine Kräfte nachließen. Lange würde er nicht mehr durchhalten können.
    Ramsays Geist schwebte ungeduldig auf und ab. »Was für eine Sarah? Hast du deine Hure also schon vergessen? Ist sie nicht oiehr dein Ein und Alles? Schande über dich, Dylan Matheson! Wenn ich geahnt hätte, wie wenig sie dir bedeutet, hätte ich mir vielleicht nicht die Mühe gemacht, sie zu töten.«
    Dylan biss die Zähne zusammen. »Wo hält Bedford die Leute versteckt, die auf das weiße Sklavenschiff verladen werden sollen?«
    Die körperlosen Zähne klapperten vor Lachen. »Ach das. Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
    »RAMSAY!«
    Wieder erklang höhnisches Gelächter. »Schon gut, schon gut. Du hast mich in der Gewalt, großer Hexenmeister.« Er seufzte. »Und wenn ich dir nicht verrate, was du wissen willst, was tust du dann? Mich ...

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