Die Rettung
wirklich schon vor so langer Zeit aufgesetzt oder ob er es einfach nur zurückdatiert hatte. Eigentlich spielte das jetzt keine Rolle mehr. Hauptsache, es bewahrte den Clan vor der Enteignung. Malcolm hatte das zweite Dokument sicherlich vernichtet, bevor er ihm das Schwert gebracht hatte.
Dylan hängte das Schwert des Königs an seinen alten Platz im Geheimgang zurück, wo es im Fall einer neuerlichen Durchsuchung der Burg nicht gefunden werden konnte. Dann ließ er sich erschöpft auf den Stuhl neben dem Kamin fallen, um über die Ereignisse der letzten Zeit nachzudenken.
So viele Menschen waren allein in der vergangenen Woche getötet, verwundet oder gefangen genommen worden! Coinneach, Marc, Iain, sieben weitere Männer sowie die Frauen von Dùghlas und Keith. Dùghlas selbst. Seumas. Artair. Sarah. Dylan stützte sich schwer auf seinen abgewinkelten Arm. Bislang hatte er noch gar nicht die Zeit gefunden, um über die Verluste nachzudenken, aber hier, in der Stille dieses Raumes, schlug die grausame Wahrheit plötzlich wie eine mächtige Welle über ihm zusammen.
Er begann heftig zu zittern. Als er die Augen schloss, rann eine Träne über seine Wange und versickerte in seinem Bart. So viele Mathesons waren tot. Die Zahl der Clansmitglieder hatte sich bereits jetzt dramatisch verringert. Sein Hass auf die Engländer wuchs bei diesem Gedanken ins Unermessliche.
An den Gobelin gewandt sagte er: »Sinann, ich muss Sarah finden, koste es, was es wolle.«
Die Fee materialisierte sich vor ihm. »Natürlich musst du das. Du darfst nicht zulassen, dass ein Familienmitglied ungestraft vom Feind verschleppt wird. Der Clan würde jeden Respekt vor dir verlieren, wenn du tatenlos zu Hause bleiben würdest.«
Dylan nickte. Er kannte seine Pflicht. »Aber ich würde sie auch retten, wenn sie nicht Alasdairs Witwe und Eóins und Gregors Mutter wäre.«
Sinanns Stimme wurde weich. »Du hast sie also wirklich gern, nicht wahr?«
Dylan grunzte nur unwillig. »Natürlich. Ich habe sie schon immer gern gehabt.«
»Als Verwandte?«
Er zuckte die Schultern. »Ja. Auch als Cait und ich verheiratet waren, habe ich sie sehr gemocht. Warum auch nicht? Sie ist eine gute, warmherzige Frau und eine liebevolle Mutter.«
»Aber jetzt haben sich deine Gefühle ihr gegenüber gewandelt ...«
Dylans Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Er wollte nicht zu tief in die Wirrungen seines Gefühlslebens vordringen; dabei kam er sich vor, als würde er in einem toten, übel riechenden Tier herumstochern. Also sagte er nur: »Cait konnte ich nicht retten, aber vielleicht gelingt es mir, Sarah zu befreien. Ich will sie zurückhaben. Bedford hat sie in seiner Gewalt, und ich hole sie mir wieder.«
»Ich denke auch, dass der Major dahinter steckt. Er oder einer seiner Verbündeten, der sein Pferd reitet.«
Plötzlich fiel Dylan etwas ein, und er setzte sich ruckartig auf. »Felix! Dieses kleine Wiesel! Ich habe ihn selbst auf diesem Pferd gesehen!«
»Aber Felix ist doch nicht kahlköpfig.«
»Er trägt eine ...« Auf einmal passte alles zusammen. »Er trägt eine Perücke, die andauernd verrutscht. Er hat kein einziges Haar mehr auf dem Kopf.« Die Aufregung ließ das Blut schneller durch seine Adern fließen. »Es war Felix. Er hat Sarah entführt. Aber wo hat er sie hingebracht?«
Die Fee hob die Schultern. »Das kann ich dir auch nicht sagen. Ich habe keine Ahnung, was er oder Bedford mit ihr vorhaben.«
Dylan verfiel ins Grübeln. Was konnte Bedford mit Sarah bewirken? Sie war eine Frau ohne nahe Angehörige, ohne große politische Bedeutung, und ihr Clan war auch nicht in der Lage, eine große Summe Lösegeld aufzubringen. Soweit das Bedford wusste, war Sarah nichts weiter als eine Küchenmagd, die niemand vermissen würde.
Er stutzte. Jemand, den niemand vermissen würde. »Das weiße Sklavenschiff«, murmelte er.
Sinann hob den Kopf. »Meinst du die gute alte Spirit?«
»Aye. Weißt du noch, wie wir damals in Edinburgh beobachtet haben, wie die ganzen Menschen auf das Schiff geschafft worden sind? Bedford sagte, sie würden nach Singapur gebracht, und du meintest, dort würden Weiße nicht als Menschen gelten. Bedford und Ramsay waren Partner in diesem schmutzigen Geschäft. Bedford hat die Leute eingefangen, Ramsay sorgte für den Transport. Robin und ich haben Felix in der Garnison gesehen. Ich könnte wetten, dass er Ramsays Platz eingenommen hat.«
»Aber du hast nie herausgefunden, wo Bedford die Gefangenen versteckt hält.
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