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Die Rettung

Titel: Die Rettung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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widerwillig und unter lautem Knarren öffnen. Eigentlich war es bei diesem Lärm ein Wunder, dass noch niemand die Vorrichtung entdeckt hatte.
    Er nahm eine Bienenwachskerze aus dem Leuchter, zerrte die Tür hinter sich zu und stieg im flackernden Schein der Kerze eine steile Steintreppe hinunter, die direkt ins Herz der Erde zu führen schien. Die Wände des Ganges bestanden aus roh behauenem, massivem Felsgestein. Sie fühlten sich kalt und feucht an, und der Boden war knöchelhoch mit eiskaltem Wasser bedeckt. Als Dylan auf trockenen Untergrund gelangte, der stetig anstieg, wusste er, dass er sich jetzt auf dem Festland befand. Zuletzt musste er ein paar Stufen emporsteigen und stand dann ! or einer schweren Holztür.
    Er stemmte sich mit der Schulter dagegen, drückte sie auf und fand sich in einer hinter ein paar riesigen Felsbrocken verborgenen Höhle wieder. Der Bach, der vorbeirauschte, verriet ihm, wo genau der Geheimgang endete - am Fuß des bewaldeten Hügels im Norden, wo das Wasser ein paar Meter in die Tiefe fiel.
    Vorsichtig kletterte er über einen mit Moos und Flechten bewachsenen Felsen und kämpfte sich durch das Unterholz des steil ansteigenden Hanges, bis er den Pfad erreichte, der von Glen Ciorram zu dem Feenturm hinaufführte. Vor einer Weide blieb er stehen, um ein paar Zweige abzuschneiden, dann folgte er dem Pfad, bis dieser sich gabelte, und schlug den steileren der beiden Wege ein, der ihn zum Gipfel des Hügels brachte.
    Die Lichtung auf der Kuppe wies Spuren zahlreicher Lagerfeuer auf. Hier pflegte der Clan seine Feste zu feiern, denn diese Lichtung Lag so hoch, dass man sich dem Himmel nahe fühlte, und bot zudem vielen Menschen Platz. Hier war Cait in der Nacht, in der Ciaran gezeugt worden war, über das Beltanefeuer gesprungen, und hier hatte Dylan zum ersten Mal erkannt, wie viel ihn mit den Menschen von Ciorram verband. Dieses Jahr hatten die Mathesons allerdings aus Furcht vor den Engländern auf ihr Beltanefest verzichtet. Dylan ging zu den Ascheresten hinüber, stellte seine Kerze auf den Boden und legte alle Weidenzweige bis auf einen daneben.
    Dann kniete er nieder und begann, mit Brigid eine Reihe von Zeichen in den letzten kleinen Ast zu schnitzen. In Ogamschrift nahm Ramsays voller Name die gesamte Länge des Zweiges ein. Mithilfe von ein paar trockenen Holzstückchen und etwas Zunder entfachte er in der Asche ein kleines Feuer.
    Sowie es hell aufflackerte, erhob er sich und entledigte sich seiner Kleidung. Alles, was er am Leibe trug, von seinem feileadh mór bis hin zu seinen Strümpfen, wanderte auf einen Haufen neben dem Feuer. Nur die Kordel mit dem Kruzifix und dem Goldring, die um seinen Hals hing, nahm er nicht ab.
    Umhüllt von der kühlen Nachtluft, dem Himmel so nah, wie es irgendmöglich war, holte er mehrmals tief Atem. Eine Gänsehaut überlief ihn, sein Pulsschlag beschleunigte sich. Er spürte förmlich, wie die Nacht ihn durchdrang und jede Faser seines Körpers erfüllte.
    Es war an der Zeit, mit der Beschwörung zu beginnen. Was er vorhatte, erforderte eine Kraft, von der er nicht sicher war, dass er sie besaß. Wenn er sich als zu schwach erwies, würde die Magie ihn töten, das wusste er so sicher, wie er wusste, dass er in einem Schwertkampf umkommen würde, wenn es ihm nicht gelang, seinen Gegner zuerst zu töten. Alles hing davon ab, dass er die Kontrolle über die Vorgänge behielt. Unruhig strich er sich das Haar aus der Stirn und begann.
    Mit gespreizten Beinen und leicht zurückgelegtem Kopf packte er Brigid mit beiden Händen und hob sie der silbernen Mondsichel im Westen entgegen, deren Licht sich in der Klinge des Dolches fing. Dann konzentrierte er sich darauf, die Kraft des Mondes durch Brigid in seine Hände, seine Arme und seinen Körper strömen zu lassen, bis seine Haut prickelte und sein Atem in kurzen, abgehackten Stößen kam.
    Er bückte sich und legte die Weidenzweige auf das Feuer, nur den mit Ramsays Namen ließ er auf dem Boden liegen. Weiden waren das Symbol des Todes.
    Eine dünne Rauchsäule stieg gen Himmel. Dylan nahm das schwarze Tuch und hielt es in den Rauch, dann presste er es gegen sein Gesicht und sog den Geruch in tiefen Zügen ein. Die Kraft der Weide vermengte sich in ihm mit der des Mondes, und er begann leicht zu schwanken.
    Mit leiser Stimme stimmte er einen Gesang in der Alten Sprache an; einer Sprache, die weit älter war als Gälisch und von der er nur ein paar Sätze beherrschte, die Sinann ihn gelehrt hatte.

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