Die Rettung
Was war da doch gleich ...?« Dann fiel ihm alles wieder ein. »Als ich das letzte Mal hier übernachtet habe, sind sie mir aus dem Hemd gefallen und in irgendeine Ecke gerollt. Und am nächsten Morgen habe ich vergessen, sie zu suchen.«
Sinann schnalzte tadelnd mit der Zunge. »Du hast sie verloren? Die Zähne des Mannes, der deine Frau ermordet hat? Du solltest dich schämen!«
Dylan musste ihr widerwillig Recht geben. Er war unachtsam gewesen. Reliquien wie die Zähne eines Toten durften nicht in falsche Hände geraten. Wenn jemand zufällig Ramsays Zähne gefunden hatte, konnte das furchtbare Folgen haben. Dylan nahm die Kerze vom Waschtisch und begann den Raum gründlich abzusuchen. Das kleine Bündel lag nicht auf einem der Möbelstücke, also öffnete er den Schrank und leuchtete in jede einzelne Schublade. »Nichts. Hier sind sie jedenfalls nicht. Wenn sie einer Magd beim Saubermachen aufgefallen wären, hätte sie sie irgendwo gut sichtbar hingelegt.«
»Glaubst du, eine der Mägde könnte sie mitgenommen haben?«
Dylan schüttelte den Kopf. »Daran wage ich gar nicht zu denken. Sie müssen hier irgendwo sein.« Nachdem er Schrank, Waschtisch und Truhen durchsucht hatte, schloss er kurz die Augen und dachte angestrengt nach. »Sie sind auf den Boden gefallen, das weiß ich genau. Sie werden ja wohl kaum von alleine davonspaziert sein.«
»Du solltest beten, dass Ramsays Geist sie nicht geholt hat.«
Dylan warf ihr einen finsteren Blick zu und ging zu dem Stuhl neben dem Kamin, auf den er in jener Nacht seine Kleider gelegt hatte. Auf dem Boden fand er nichts. Dann suchte er beim Kamin. Er hatte die Zähne schon vor Monaten verloren, sie konnten praktisch überall sein. Zuletzt kniete er sich vor das Bett, um einen Blick darunter zu werfen.
Im Laufe der Jahre, die er nun schon in diesem Jahrhundert lebte, hatte er sich allmählich daran gewöhnt, ohne die Errungenschaften moderner Technik auszukommen. Es machte ihm nichts mehr aus, alle Weg zu Fuß zurückzulegen und sich am offenen Feuer aufzuwärmen. Doch jetzt hätte er gerne eine Taschenlampe zur Hand gehabt. Die Kerze war nicht dazu geeignet, dunkle Winkel auszuleuchten, und er wagte nicht, sie unter das Bett zu stellen, weil er fürchtete, die Matratze in Brand zu setzen. Doch als er in die flackernden Schatten spähte, meinte er, am Kopfende des Bettes ein kleines, helles Bündel liegen zu sehen. Er stellte die Kerze auf den Boden und tastete mit der Hand danach.
Seine Finger trafen auf das kleine Leinensäckchen mit Ramsays Zähnen. »Da sind sie! Ich habe die Zähne gefunden!«
Sinann musterte ihn besorgt, als er unter dem Bett hervorgekrochen kam. »Lass die Finger von diesem Zauber, mein Freund, Das Risiko ist zu groß. Du verfügst nicht über die nötige Macht.«
»Du hast mir doch alles Notwendige beigebracht.« Er richtete sich auf, nahm die Kerze in die Hand, schob das Bündel unter sein Hemd und zupfte sich dann ein paar Spinnweben aus dem Haar. »Ich war der Novize der Enkelin des Meeresgottes Lir, hast du das schon vergessen? Nur bin ich jetzt kein Novize mehr. Ich bin mächtig genug, um es sogar mit Morrighan aufzunehmen.«
»Du hast wohl noch nie mit angesehen, wie Morrighan die Toten beschwört, nicht wahr?«
Sinanns Worte jagten Dylan einen Schauer über den Rücken. »Nein«, erwiderte er langsam. »Aber mir bleibt keine andere Wahl. Komm mit, wenn du willst, oder bleib bei den Kindern, falls etwas schief geht und sie deine Hilfe brauchen.«
Die Fee nickte. »Dann bleibe ich lieber bei Ciaran und Sile.« Das gab Dylan zu denken. Noch nie hatte Sinann sich freiwillig erboten, über seine Familie zu wachen anstatt ihn zu begleiten. Sie hatte Angst vor dem, was auf der anderen Seite lauern mochte. »Aye, es ist besser so. Wenn der Zauber auf dich zurückfällt, kann ich ohnehin nichts mehr für dich hm.«
Dylans Hand schloss sich um das Bündel unter seinem Hemd. »Gut. Ich komme zurück, sobald ich weiß, wo Sarah gefangen gehalten wird.«
Sinanns Antwort bestand in einem Gemurmel in der Alten Sprache, wohl eine Schutzformel gegen die Mächte des Bösen.
25. Kapitel
Um die Burg unbeobachtet verlassen zu können und sicherzustellen, dass ihm weder einer der Mathesons noch ein Sassunach folgte, beschloss Dylan, den Geheimgang zu benutzen. Er verstaute das Bündel mit den Zähnen sowie ein schwarzes Tuch in seinem sporran, dann zog er das schwere Bücherregal in Iains Arbeitszimmer zurück. Die Geheimtür ließ sich nur
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