Die Rettung
töten?«
Dylan musterte ihn drohend. »Vermutlich zielst du darauf ab, mich umzubringen, aber eins lass dir gesagt sein - wenn du das tust, hast du mich bis ans Ende aller Zeit am Hals.« Er spürte, wie es ihn immer stärker auf die andere Seite zog. Die Versuchung, einfach loszulassen und dem Schmerz ein Ende zu bereiten, wurde nahezu übermächtig.
Ramsay seufzte. »Alles, nur das nicht. Ich denke, ich sage dir lieber alles. Bedford hält deine Sarah im Tolbooth in Edinburgh fest.«
»Das stimmt nicht.«
»O doch. Unterhalb der normalen Zellen liegen noch verborgene Verliese.«
»Sag mir die Wahrheit, Ramsay. Ich war selbst im Tolbooth, vergiss das nicht. Versuch's noch mal.« Selbst wenn Dylan nicht sicher gewesen wäre, dass diese unterirdischen Verliese nicht existierten, hätte er Ramsay nicht geglaubt. Er kannte Bedford gut genug, um zu wissen, dass er seine illegalen Geschäfte niemals direkt unter der Nase seiner Vorgesetzten abwickeln würde, denn der kleinste Fehler könnte ihn dann seine Karriere oder gar sein Leben kosten.
Während er Ramsays Geist mit letzter Kraft in seiner Gewalt hielt, keuchte er: »Herzlichen Dank, Connor. Ich kann es kaum erwarten, das Tolbooth zu durchsuchen. Du hast doch nichts dagegen, dass ich dich noch einmal rufe, falls ich Sarah nicht finden kann, oder? Du freust dich bestimmt, mich wieder zu sehen ... denn wo du dich auch verstecken magst, ich werde dich finden. Immer.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann entgegnete Ramsay angewidert: »Na schön. Bedford besitzt außerhalb von Edinburgh, auf der Straße nach Glasgow, ein Gehöft, den alten Robertson-Hof. Den kennt jeder, weil eine riesige Scheune dazu gehört. Viel Platz für alle Besitztümer des Majors, die nicht für die Augen der Öffentlichkeit bestimmt sind.«
Dylan kämpfte eine neue Schmerzwelle nieder. »Und eine Unterkunft für die ungefähr fünfzig Halunken, die der Major heimlich angeheuert hat.«
Wieder brachen die in der Luft schwebenden Zähne in Gelächter aus. »Ganz genau. Und jetzt lass mich gehen, bevor du tot umfällst und ich dich nie wieder loswerde.«
»Dann fahr zurück zur Hölle, wo du hingehörst«, murmelte Dylan und gab Ramsay frei. Die Zähne wirbelten wild durcheinander, die gespenstische Erscheinung waberte, verblasste und löste sich schließlich auf. Die Zähne fielen klappernd zu Boden. Das Tor schloss sich wieder, und Dylan brach vor dem erlöschenden Feuer zusammen.
Lange kämpfte er darum, bei Bewusstsein zu bleiben, während sich die Welt um ihn herum ständig zu verändern schien. Dann kroch er zu seinen Kleidern hinüber und streifte sein Hemd über, dabei vor Kälte am ganzen Leibe zitternd. Endlich sammelte er sorgsam alle achtundzwanzig Zähne des toten Ramsay ein, ging zu den Resten des Feuers hinüber und vergrub die Zähne in der Asche. Danach hob er den Saum seines Hemdes und urinierte auf die Stelle, um zu verhindern, dass Ramsays Geist ihn ungebeten heimsuchte.
Mit zitternden Händen verschnürte er den Rest seiner Kleider und seine Dolche zu einem Bündel und trug sie durch den Geheimgang in die Burg zurück. Da er keine Kerze mehr hatte, musste er sich den Weg ertasten. Der kalte, feuchte, stockfinstere Gang schien kein Ende zu nehmen. Mühsam watete er durch das eisige Wasser, das seine Füße umspielte. Als er das letzte Stück bis zur Regaltür in dem Arbeitsraum erklomm, kam er sich vor, als würde er sich aus einem Grab befreien. Der Gang war so eng, dass seine Schultern fast zu beiden Seiten die Wände berührten, die Decke so niedrig, dass er sich immer wieder den Kopf stieß. Er erreichte die Tür und stemmte sich dagegen. Nichts geschah. Stöhnend verstärkte er den Druck. Seine Knie zitterten vor Anstrengimg, sein linkes Bein begann zu schmerzen. Die Tür gab knarrend nach. Dylan verschnaufte einen Moment, dann schob er sie so weit auf, dass er sich durch den Spalt zwängen konnte. Mit letzter Kraft schloss er die schwere Geheimtür wieder hinter sich, dann lehnte er sich erschöpft dagegen und rang nach Atem.
Das Feuer im Kamin flackerte nur noch schwach, trotzdem kauerte er sich davor, um sich aufzuwärmen, und schlang seinen Bült wie eine Decke um sich. Seine Haut begann zu jucken, und er kratzte sich heftig.
Sinann, die ihn anscheinend durch den Gobelin beobachtet hatte, flatterte auf ihn zu. »Höchste Zeit, dass du zurückkommst. Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
»Ich war er.« Dylan grub die Nägel in seine Arme. »Sinann,
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