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Die Rettung

Titel: Die Rettung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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vermissen.
    Kurz vor Sonnenuntergang löste er die Zöpfe wieder, zog sich aus und wusch seine Kleider im Bach, bevor er sich selbst von Kopf bis Fuß abschrubbte, obwohl das Wasser eiskalt war und seine Haut krebsrot anlief. Dann ging er zum Haus zurück, um seine Kleider am Feuer zu trocknen und das Abendessen zu verzehren, das Sarah für ihn vorbereitet und auf dem Tisch stehen gelassen hatte.
    Sarah war am Nachmittag mit den Kindern zur Burg zurückgekehrt, wo ebenfalls Arbeit auf sie wartete. Ciaran und Sile würden unter Aufsicht der Dienstboten mit den Dorfkindern in der großen Halle spielen. Im Clan galt das ungeschriebene Gesetz, dass sich alle Erwachsenen um alle Kinder zu kümmern hatten, die sich in ihrer Nähe aufhielten. Natürlich wurden Ciaran und Sile als einzige Enkel des Lairds stets bevorzugt behandelt, aber generell betrachtete man alle Kinder des Clans als zur Familie gehörig, denn irgendwie waren alle Bewohner des Tals entfernt miteinander verwandt. Aus diesem Grund war es auch Dylans Pflicht, jedes Kind aus Ciorram, das bei seinem Sohn oder seiner Tochter zu Besuch war, so sorgsam zu beaufsichtigen, als ob es sein eigenes wäre.
    Nachdem er gegessen hatte und seine Kleider fast wieder trocken waren, streute er Asche über das Feuer, warf seinen Mantel über und machte sich auf den Weg nach Tigh a'Mhadaidh Bhàin.
    Glen Ciorram war kein großes Tal, aber dennoch um ein Vielfaches weitläufiger als Dylans kleine Mulde in den Bergen. Es lag etwas tiefer, verlief aber genau wie Dylans Besitz hauptsächlich von Osten nach Westen. An der leichten Krümmung an einem Ende stand die Kirche Unserer Lieben Frau vom See; ein kleines, uraltes Steingebäude, hinter dem sich ein bewaldeter Hügel erhob. Ganz am Ende der Biegung, wo sich das Tal zwischen steil ansteigenden Granitbergen verlor, befand sich die Königin-Anne-Kaserne, in der die englischen Dragoner einquartiert waren.
    Anfangs war hier im Tal nur eine einzelne Kompanie stationiert gewesen, die in einer niedrigen Steinbaracke gehaust hatte. Doch im Laufe der vergangenen fünf Jahre war die Baracke zu einem mehrstöckigen, befestigten Gebäude ausgebaut worden, in dem jetzt ein ganzes Regiment untergebracht war. Die Einheimischen betrachteten die Kaserne mit gemischten Gefühlen. Das Haupthaus, die Nebengebäude, die Pferdekoppeln und die Viehpferche beanspruchten viel wertvolles Ackerland, das von den Mathesons dringend benötigt wurde. Außerdem fühlten sie sich von den Rotröcken ständig beobachtet, die überdies Unmengen an Lebensmitteln, Viehfutter und Pferden für ihre Zwecke beschlagnahmten. Der einzige Vorteil der Baracke bestand darin, dass die Soldaten dort ihre eigenen Betten hatten und die Mathesons somit nicht gezwungen waren, die Besatzer in ihren Häusern zu beherbergen.
    Es war schon fast dunkel, als Dylan den Rand des Dorfes erreichte. Er hatte die Hände tief in die Manteltaschen geschoben und den Kragen hochgeklappt, um seine Ohren vor der winterlichen Kälte zu schützen. Die Täler und Wälder lagen in tiefem Schwarz da, der Himmel wölbte sich in prächtigen Rot-und Violetttönen darüber. Eine Kathedrale für Beira, die Winterkönigin, dachte Dylan. Auf eine Begegnung mit dieser Göttin legte er allerdings wenig Wert.
    Als er am Torfmoor vorbeikam, raschelten die Baumkronen hoch über ihm leise im Wind. Dylan blieb stehen, um zu hören, was die Geister zu sagen hatten.
    »Sie sind unruhig«, stellte Sinann fest, die gleichfalls lauschend hinter ihm herflatterte.
    Dylan nickte. »Irgendetwas hat sie aufgeregt.« Er beschleunigte seine Schritte. Das gefrorene Laub knirschte unter seinen Stiefeln.
    Im Tal stand eine Gruppe von Männern, von denen einige eine Fackel in der Hand trugen, neben der Zugbrücke, die vom Festland zu der Insel im See führte, auf der Tigh a'Mhadaidh Bhäin erbaut war.
    Sie schienen sich um Dùghlas Matheson, Coinneachs älteren Bruder, geschart zu haben und erregt auf ihn einzureden.
    Die laute, herrische Stimme von Artair, dem jungen Halbbruder des Lairds, war deutlich herauszuhören. Der Wind vom Loch Sgàthan wehte einige Gesprächsfetzen zu Dylan herüber.
    »... creach ...«
    »... MacDonell ...«
    »... wenn wir nicht verhungern wollen ...«
    Robin Innis bemerkte Dylan und rief ihn zu sich. »Och, Dylan, die MacDonells waren hier und haben sich mit Dùghlas' drei Rindern davongemacht!« Jeder wusste, dass zwischen den MacDonells und den Mathesons schon seit Jahrhunderten eine erbitterte Fehde

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