Die Rettung
»Wie denn?« Er mochte es nicht, wenn Sinann ihm einen Teil seiner Arbeit abnahm, weil das nur spitze Bemerkungen seitens derer hervorrief, die ohnehin schon dachten, er stünde mit Dämonen im Bunde.
»Ich kann das Pferd für dich führen.«
Dylan betrachtete das kleine weiße Pferdchen nachdenklich. In den letzten Jahren hatte Cait es über die Felder geführt, und er war dem Karren mit der Mistgabel gefolgt, um den Dünger zu verteilen. Übernächstes Jahr konnte Ciaran diese Aufgabe übernehmen, aber noch war er zu klein, um mit dem widerspenstigen Tier fertig zu werden. Doch wenn Sinann es tat, würde es so aussehen, als ob das Pferd ganz von alleine eine gerade Spur über das Feld zog. Trotzdem nickte Dylan.
»Na schön. Aber wenn jemand uns sieht, muss ich behaupten, ich hätte das Pferd für diese Arbeit abgerichtet, und du musst mir helfen, das zu beweisen, falls jemand das verlangt.« Wieder blickte er sich um und entschied, sich auf das Wagnis einzulassen. Sarah und die Kinder waren zur Burg zurückgegangen, somit erschien ihm das Risiko, beobachtet zu werden, ziemlich gering.
»Aye, du kannst auf mich zählen.« Sinann schwirrte los und landete neben dem Kopf des Pferdchens auf dem Boden. »Habe ich dich je im Stich gelassen, mein Freund?«
Als er die Stirn runzelte, fügte sie hastig hinzu: »Wenn es wirklich darauf ankam?«
Mit einem unwilligen Grunzlaut gestattete er ihr, das Pferd am Zügel zu nehmen. Die Arbeit ging jetzt viel schneller voran, Sinann führte das Tier in einem gleichmäßigen Tempo über das Feld, Dylan verstreute den Dünger. Noch vor Sonnen-lintergang war alles geschafft. Dylan brachte Pferd und Karren in den Hof und hängte die Werkzeuge an ihren Platz an der Wand des Viehstalles. Dann wusch er sich im Bach, verstaute die Utensilien, die er für das mystische Ritual benötigte, in einem alten Leinensack und machte sich auf den Weg zum broch.
Sinann flatterte neben ihm her. »Nicht gerade die beste Tageszeit für unser Vorhaben. Die Sonne geht schon unter.«
»Es wird gerade eben erst dämmrig. Nur der Sonnenaufgang oder die Mitternachtsstunde wären noch günstiger. Ich werde es schon schaffen, ich wünschte nur, ich hätte irgendetwas dabei, was ihr gehört.« Sie durchquerten das untere Tal und gelangten zu dem Pfad, der zum broch sidhe führte. Dem Turm wurde nachgesagt, dass dort die Kleinen Leute ihr Unwesen trieben, daher wurde er von den meisten Sterblichen gemieden. Niemand würde sie dort stören. Dylan warf sich den Sack über die Schulter.
»Was glaubst du, was sie dann mit dir machen würde?«
Dylan konnte es sich denken. Sein Leben wäre verwirkt, wenn Morrighan erfahren würde, dass er etwas besaß, was er gegen sie verwenden konnte.
Der broch war älter als alle Bauwerke, die er je gesehen hatte. Selbst Sinann wusste nicht, wer ihn erbaut hatte. Er war schon zu Lebzeiten des heldenhaften Fearghas MacMhathain uralt gewesen, eines Vorfahren der Mathesons, der im Kampf gegen eine Horde räuberischer Wikinger tödliche Verletzungen davongetragen hatte. Nachdem es ihm gelungen war, die Feinde zurückzuschlagen, hatte er sich zum Turm geschleppt, um dort zu sterben. Sein Blut hatte den Boden im Turminneren rot gefärbt. Heute war die Erde gefroren, aber Dylan wusste, dass sie unter dem welken Gras so leuchtend rot schimmerte, als wäre sie noch immer mit Fearghas' Blut getränkt. Er hatte es ja mit eigenen Augen gesehen.
Hier, innerhalb der grauen, mit Moos überwucherten Steinmauern des broch konnte sich Dylan von den Problemen des täglichen Lebens lösen und sich voll und ganz auf die vor ihm liegende Aufgabe konzentrieren. Die kahlen Äste der knorrigen alten Eiche knarrten leise im Wind. Einige davon ragten durch ein Fenster bis ins Turminnere hinein. Sinann landete auf den steinernen Stufen, die direkt unterhalb dieser Äste an der Mauer entlang verliefen.
»Was meinst du? Bloße Haut oder Stoff darüber?«, fragte sie Dylan augenzwinkernd.
Dylan musterte sie aus schmalen Augen. »Ich habe keine Lust, mir heute Abend den Tod zu holen, besten Dank. Ich behalte meine Kleider lieber an.« Er hatte noch nie eine Erkältung gehabt und konnte in einer Zeit, in der es weder Antibiotika noch Schmerzmittel noch Hustensaft gab auch keine gebrauchen. Schnell holte er die vier Kerzen, die er eingepackt hatte, aus seinem Sack und stellte sie an den vier Ecken des großen Steines in der Mitte des Turmes auf. In Ermangelung von Feuerstein und Zunder zündete Sinann
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