Die Rettung
Lächelnd wandte er sich an Artair. »Nim, mein Junge, erinnerst du dich noch an meine Tochter Fiona?«
Ohne den Blick von dem Mädchen zu wenden, erwiderte Artair: »Aye, natürlich tue ich das.« Dann sprach er sie endlich auch direkt an. »Als ich dich zuletzt sah, warst du noch ein ganz kleines Mädchen.« Seine Stimme klang weicher, als Dylan es je für möglich gehalten hätte. Schon oft war er Zeuge gewesen, wenn junge Burschen sich zum ersten Mal verliebten, hätte aber nie gedacht, dass auch Artair zu echten Gefühlen fähig sein könnte. Vielleicht wurde der kleine Mistkerl ja endlich erwachsen.
Die ganze Woche lang tauchte Fiona überall dort auf, wo sich Artair gerade befand. Zwar taten sie nichts, was die Grenzen des Anstandes überschritt, doch wo immer man Artair sah, war Fiona nicht weit. Schon bald wurde mehr oder weniger offen ge-munkelt, Iain Beag MacGregor hätte gute Aussichten, seine Tochter mit dein möglichen Erben des Lairds von Ciorram zu vermählen. Niemand zeigte sich sonderlich überrascht.
Als Robin Dylan beiseite nahm und ihn mit gedämpfter Stimme fragte, was er von dieser Aussicht hielte, erwiderte Dylan grinsend: »Ich fürchte, ihre Kinder werden feuerrotes Haar bekommen.« Seiner Meinung nach konnte es Artair nur gut tun, eine Familie zu gründen. Vielleicht waren eine Frau und ein paar Kinder genau das, was er brauchte, um endlich zur Vernunft zu kommen.
An dem nächsten Sonntag sah die rothaarige Schönheit den Männern beim Kung-Fu-Unterricht zu. Nachdem sie ihre Kilts abgelegt hatten, um in ihren knielangen Hemden zu kämpfen, ließ Artair seine Muskeln spielen und warf herausfordernd den Kopf zurück. Dylan musste an einen Profiringer des 20. Jahrhunderts denken und wandte sich ab, um sein Lächeln zu verbergen, denn er wollte nicht nach dem Grund für seine Belustigung gefragt werden. Dann begann er mit seinen Aufwärmübungen.
Seit drei Jahren erteilte er jeden Sonntag im Burghof Unterricht in asiatischen Kampfsportarten. In seinem Studio in Tennessee hatte er auch Fechtunterricht gegeben, aber den Männern dieses Jahrhunderts konnte er auf diesem Gebiet nichts mehr beibringen. Kung Fu dagegen war in Schottland noch unbekannt und konnte ihnen daher von großem Nutzen sein. Zwar ließ der Kampfstil der Mathesons viel zu wünschen übrig, aber Dylan hatte schon bald gelernt, dass es darauf in diesem Land auch gar nicht ankam. Wichtig war nur, dass die Männer eine Technik beherrschten, die ihnen im Kampf gegenüber dem Gegner beträchtliche Vorteile verschaffte. So ermunterte er seine Schüler, möglichst regelmäßig am Unterricht teilzunehmen.
Allmählich schmolzen die Männer nun zu einer Einheit zusammen, die an die gut ausgebildeten Truppen einer modernen Armee erinnerte. Die rotwangigen, kampfeslustigen Schotten, die teils im Kilt, größtenteils aber nur mit Hemd, Wollhosen und Gamaschen bekleidet präzise die vorgeschriebenen Übungen ausführten, ließen Dylan oft an die berüchtigten Highlandregimenter denken, die eines Tages den ganzen Stolz der britischen Armee bilden würden. Die Vorstellung löste sehr gemischte Gefühle in ihm aus.
Fiona saß, fest in ihren Reiseumhang gehüllt, neben den Viehpferchen an der Seite des Burghofes. Mit großen Augen verfolgte sie das Geschehen. Jedes Mal, wenn Artair zu ihr hinüberschaute, trat ein strahlendes Lächeln auf ihr Gesicht. Ganz offensichtlich war sie ebenso heftig in den Grünschnabel verliebt wie er in sie. In einem Anflug von Großmut beschloss Dylan, Artair heute Gelegenheit zu geben, sich zu produzieren.
Artair sprühte geradezu vor Energie. Seine Wangen glühten. Er war offenbar entschlossen, seiner Angebeteten zu zeigen, was in ihm steckte. Dylan wählte ihn als Sparringspartner aus, was sich als großer Fehler erweisen sollte. Vielleicht wäre alles gut gegangen, hätte er sich nicht bereits entschieden, Artair in seinem besten Licht erscheinen zu lassen. Die junge Liebe hatte sein Herz gerührt, und das machte ihn verwundbar.
Der Grünschnabel griff so beherzt und behände an, wie er es immer tat, und Dylan parierte die Angriffe ohne große Mühe. Doch nachdem der Schlagabtausch beendet war und Dylan gerade Artairs Technik kommentieren wollte, ging dieser erneut auf ihn los und traf ihn mit einer Faust-Ellbogen-Kombination mitten ins Gesicht.
Reflexartig reagierte Dylan mit einer Abfolge von Schlägen und Stößen, ehe er herumwirbelte und Artair mit ein paar Halbkreis- und Fersentritten zu Boden
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