Die Rettung
schickte. Dann versetzte er ihm rasch hintereinander zwei kräftige Tritte in die Nieren und setzte gerade zum dritten an, als er plötzlich zur Vernunft kam.
Von tiefer Scham über sein Verhalten erfüllt, wandte er sich ab. Die anderen Schüler flüsterten aufgeregt miteinander. Dylan drehte sich um und sah, wie sich Artair vor Schmerzen krümmte. Fiona sprang auf und rannte auf ihn zu. Dylan ging mit gesenktem Kopf davon. Noch immer war er von dem glühenden Wunsch beseelt, Artair zu töten. In sicherer Entfernung von der Gruppe schritt er erregt auf und ab, betupfte seine blutende Nase mit einem Leinentuch und schielte verstohlen zu seinem Schüler hinüber, den er eben zusammengeschlagen hatte. In diesem Moment hasste er sich selbst.
Seine Klasse brauchte er nicht mehr zu entlassen, die Männer hatten sich bereits um Artair geschart und hoben ihn vorsichtig hoch, um ihn in die große Halle zu tragen. Fiona folgte ihnen. Nur Robin und Seumas blieben zurück. Robin ging zu Dylan hinüber.
»Die Abreibimg hat er schon lange verdient.«
Dylan brachte vor Wut kein Wort heraus. Er musste mehrmals tief Atem holen, bevor er seine Stimme wiederfand. »Nein«, krächzte er. »Nicht so. Ich hätte ihn beinahe umgebracht. Hätte ich einen Dolch bei mir gehabt, wäre ich imstande gewesen, ihn zu benutzen. Artair ist mein Schüler. Ich hätte nie dermaßen die Beherrschung verlieren dürfen.«
»Mach dir doch deswegen keine ...«
»Danke, Robin.« Dylan blickte zu Ciaran hinüber, der die ganze würdelose Vorstellung mit angesehen hatte und nun seinen Vater mit großen Augen anstarrte. »Ich weiß es zu schätzen, dass du zu mir hältst. Aber jetzt muss ich meinem Sohn erklären, warum das, was ich getan habe, falsch war.«
Robin nickte verständnisvoll. »Aye.«
Dylan ging zu seinem Sohn, hob ihn hoch und setzte ihn auf einen Holzklotz neben der Stalltür. Dann kauerte er sich vor ihm hin. »Ich wünschte, ich hätte das eben nicht getan.«
Der Junge zwinkerte verwirrt. »Warum? Du hast doch gewonnen.«
»Sicher, ich bin ja auch ein besserer Kämpfer als Artair. Deswegen gebe ich Unterricht - weil ich mehr weiß und mehr kann als meine Schüler. Und genau deshalb hätte ich Artair auch nicht beweisen dürfen, dass ich besser bin als er. Ich bin sein Lehrer, nicht sein Gegner. Er hätte mich nicht angreifen sollen, als ich nicht damit gerechnet habe, aber mir ist ein noch größerer Fehler unterlaufen, indem ich ihn so zusammengeschlagen habe. Das war absolut nicht nötig. Ich hätte ihm sagen können, er solle sofort aufhören. Oder ich hätte seinen Angriff einfach abwehren sollen. Aber ich hätte ihn nie so zurichten dürfen. Ich bin älter und erfahrener als er, ich hätte mich beherrschen müssen.«
Ciaran schwieg, während er stirnrunzelnd nachdachte.
»Verstehst du das, Sohn?«
»Nein, Pa. Er hat dich verletzt.« Rote Flecken loderten auf den Wangen des Jungen. »Und er wollte dich bestimmt noch schlimmer verletzen. Wenn ich groß bin, kann er was erleben. Wenn er dir dann nochmal etwas tut, bringe ich ihn um.«
Dylan nahm seinen Sohn am Arm. »So etwas darfst du nicht sagen, Ciaran. Auch nicht, wenn du wütend bist. Ich war ebenfalls furchtbar wütend auf Artair, deswegen habe ich ihn geschlagen. Das war falsch. Ich hätte warten müssen, bis meine Wut verfliegt.«
Ciarans Augen schwammen in Tränen. Dylan begriff, dass der Kleine kein Wort verstand. Er starrte auf Dylans geschwollene Lippe, dann sagte er mit erstickter Stimme: »Er hat meinem Pa weh getan. Das soll er ja nicht nochmal wagen!«
»Denk über das nach, was ich dir gesagt habe, Ciaran. Ich meine es ernst. So, und jetzt gehe ich hinein, um mich bei Artair zu entschuldigen.« Er nahm seinen Sohn bei der Hand und betrat mit ihm die große Halle.
Artair saß auf einer Bank, und Fiona presste einen nassen Lappen gegen sein Gesicht. Alle anderen waren bereits heimgegangen. Malcolm und Iain spielten am Kamin eine Partie Schach und ein paar Mägde schrubbten die Tische ab. Sonst war niemand zu sehen.
Dylan hob Ciaran auf einen Tisch, dann sagte er zu Artair: »Ich möchte mich bei dir entschuldigen. Ich hätte nicht so auf dich losgehen dürfen.«
Artair funkelte ihn an. »Warum denn nicht?«
Nun war Dylan um eine Antwort verlegen. Er war zwar der weit bessere Kämpfer von ihnen beiden, aber dies war nicht der Moment, Artair darauf hinzuweisen. Stattdessen erwiderte er: »Es war nur ein Übungskampf. Ich hätte mich nicht dazu hinreißen
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