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Die Rettung

Titel: Die Rettung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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empfand grimmige Freude, wenn er hörte, dass ein Schotte aus dem Kampf gegen Rotröcke und Whigs als Sieger hervorgegangen war. Doch während die Nachrichten von dem nahenden Aufstand und der möglichen Wiedereinsetzung eines katholischen Herrschers die Bewohner des katholischen Glen Ciorram in Hochstimmung versetzten, wurden die Soldaten, die in den Highlands ihren Dienst versahen, immer unruhiger. Die Anzahl der willkürlichen Festnahmen nahm zu. Zwar wurden die Verhafteten meist nach einem oder zwei Tagen wieder freigelassen, doch die ständig wachsende Bedrohung durch die Besatzer schürte Furcht unter den Mathesons. Dylan, der einen tiefen, unauslöschlichen Hass gegen die Engländer hegte, brach schon beim Anblick einer roten Uniform der kalte Schweiß aus. Er wusste nur zu gut, was ihn erwartete, wenn er verhaftet und Major Bedford ausgeliefert werden würde.
    Gegen Ende des Monats trat er aus Nana Pettigrews Haus. Sie hatte aus der von ihm gesponnenen Wolle Tuch gewoben und daraus Kleider für seine Kinder angefertigt, wofür sie einen Teil der Wolle behalten durfte. Dylan hatte die fertigen Sachen gerade abgeholt. Der Winter lockerte seinen eisigen Griff allmählich. Warm war es zwar noch nicht, aber die schlimmste Kälte schien überstanden. Auf der schmalen Dorfstraße traf Dylan Robin Innis. Er war offenbar auch auf dem Weg zu Nana. In einer Hand trug er ein lebendes Huhn.
    Anscheinend war er auf ein Schäferstündchen aus. Robin hatte weder eine Frau noch eine Braut und nahm Nanas Dienste häufiger in Anspruch. Deren Geschäft lief gut. Die Männer von Ciorram hatten sich damit abgefunden, sie mit den Rotröcken teilen zu müssen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass keine andere Frau in ihr Gewerbe einsteigen wollte.
    Dylan begrüßte seinen Freund. »Na, Robin, Lust auf ein bisschen Abwechslung?« Ihm selbst schauderte bei der Vorstellung, in einem Jahrhundert, in dem Antibiotika imbekannt waren und die Syphilis ebenso unweigerlich tödlich verlief wie Aids in seiner eigenen Zeit, eine Dorfprostituierte aufzusuchen. Doch es war sinnlos, die Männer von Ciorram vor den Gefahren warnen zu wollen. Für Schotten des 18. Jahrhunderts war der Gedanke, Krankheiten könnten durch unsichtbare Erreger übertragen werden, ebenso schwer nachzuvollziehen wie das Konzept der Quantenmechanik für ihn selbst.
    »Aye, Dylan«, nickte Robin. »Vermutlich warst du aus demselben Grund bei ihr, oder?«
    Dylan klemmte sich das Kleiderbündel fester unter den Arm. »Du solltest mich besser kennen, Rob.« Er ließ seine Clansleute möglichst in dem Glauben, er würde aus religiösen Gründen wie ein Mönch leben. »Ich habe auf Cait gewartet, und ich kann auch auf meine nächste Frau warten, wer immer das auch sein mag.«
    Robins Lächeln wirkte ein wenig wehmütig. »Och, du wartest wohl immer noch auf Cait.«
    Dylan räusperte sich leicht und senkte den Blick, damit Robin ihm nicht ansah, wie sehr er ins Schwarze getroffen hatte.
    Ranald tauchte barfuß, mit schlammbeschmierten Beinen und nur mit einem schmutzigen Hemd bekleidet auf der Straße auf. Vor Freude quietschend verfolgte er eine flügellahme Taube, stach mit dem Finger nach ihr, sprang kreischend und lachend ein Stück zurück und nahm dann die Verfolgung des Vogels wieder auf. Dylan sah ihm lächelnd und kopfschüttelnd zu.
    Während er Ranald beobachtete, hörte er halbherzig zu, wie Robin ihm vorhielt, er solle doch um seiner Kinder willen wieder heiraten. Ärger stieg in ihm auf, als er auf einmal zwei Dragoner entdeckte, die in gemächlichem Trab auf das Tal zugeritten kamen. »Verdammt«, murmelte er leise.
    »Ranald!«, rief er dann dem jungen Mann zu. »Ranald! Verschwinde von der Straße!« Er ging ein paar Schritte auf Ranald zu und bedeutete ihm, sich in dem nächstliegenden Haus -dem gegenüber der Schneiderei von Nana Pettigrew - zu verstecken. »Geh hinein!«
    Doch Ranald blieb stehen und starrte ihn aus großen Augen an; dabei kehrte er den näher kommenden Dragonern den Rücken zu. Dann begann er aufgeregt auf und ab zu hüpfen und stieß dabei ein schrilles, entzücktes Lachen aus. »Die Fee! Die Fee!«, kreischte er, auf einen Punkt über Dylans Kopf deutend. »Die Fee!«
    Wie bitte ? Dylan blickte über seine Schulter. Nichts. Eine leichte Brise fuhr plötzlich durch sein Haar. Er drehte sich wieder um. Jetzt war nicht der richtige Augenblick, sich über die seltsamen Dinge den Kopf zu zerbrechen, die Ranald sich anscheinend einbildete.

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