Die Richter des Königs (German Edition)
»Niemand wird dir Vorwürfe machen, wenn du die Wahrheit sagst. Also, hat Walker jemals schlecht über Seine Lordschaft gesprochen?«
»Nun ja, er fragte mich einmal, ob ich Seine Lordschaft für einen guten und gottesfürchtigen Menschen halten würde. Ich antwortete ihm, dass ich bisher nichts Gegenteiliges gehört hatte. Da sagte er: Aber Seine Lordschaft ist Richter und entscheidet über Leben und Tod der Menschen, die ihm vorgeführt werden. Darauf ich: Ja, doch diejenigen, die gehängt werden, sind meistens Mörder und Straßenräuber, die es nicht besser verdienen.«
»Was hat er darauf geantwortet?«, fragte Jeremy gespannt.
»Er sagte: Aber was, wenn es einen Unschuldigen trifft, der gar kein Verbrechen begangen hat? Ich wurde die Sache allmählich leid, denn was verstehe ich schon von diesem juristischen Kram? Ich sagte zu ihm: Seine Lordschaft ist gütig und gerecht und würde sicher nicht leichtfertig oder aus Bosheit einen Unschuldigen an den Galgen bringen. Da wurde Walker sehr nachdenklich und stimmte mir zu.«
»Wann fand das Gespräch statt?«, erkundigte sich Jeremy.
»Vor einer Woche etwa.«
»Fällt dir sonst noch etwas ein, das Walker gesagt hat? Irgendetwas, das dir seltsam vorkam.«
»Vor ein paar Tagen, als er gerade von einer Besorgung zurückkehrte und wir alleine waren, sagte er plötzlich zu mir: Ich habe nicht gewusst, was für eine starke Leidenschaft das Verlangen nach Rache sein kann. Es ist erschreckend. Ich fragte ihn, was er meinte, doch er sagte, er könnte nicht darüber reden. Er erwähnte noch, dass ein Unrecht passiert war, aber dass Rache es nicht ungeschehen machen würde.«
»Er hatte sich also gegen das Böse und für das Gute entschieden, der arme Junge. Und das hat ihn das Leben gekostet«, bemerkte Jeremy betroffen. »Du kannst gehen, Johnson.«
»Was haltet Ihr davon?«, fragte Sir Orlando.
»Es ist offensichtlich. Walker kannte den Mörder und sein Motiv.«
»Aber wie?«
»Ganz einfach. Der Mörder vertraute sich ihm an«, erklärte Jeremy. »Er brauchte seine Hilfe, um an Euch heranzukommen, denn er hatte begriffen, dass Ihr Euch außerhalb Eures Hauses keine Blöße mehr geben würdet. Also wählte er einen Eurer Diener und versuchte, ihn zu überreden, ihm zu helfen. Ich weiß nicht, was er ihm anbot, aber es kann keine große Summe Geld gewesen sein, sonst wäre es nicht nötig gewesen, sein Motiv aufzudecken. Da er den Diener nicht bestechen konnte, beschuldigte er Euch, Mylord, ein Unrecht begangen zu haben, das gerächt werden müsse. Diese Anschuldigung muss so überzeugend gewesen sein, dass sie Walker in eine regelrechte Gewissenskrise stürzte. Doch am Ende entschied er sich, an Eure Güte und Euren Gerechtigkeitssinn zu glauben. Vermutlich hatte der Mörder ihn gebeten, Euch Gift ins Essen zu mischen. Als er am Abend vor seinem Tod ablehnte, vergiftete ihn der Mörder, um sein Geheimnis zu wahren. Wäre Walker zu Euch gekommen und hätte er Euch alles erzählt, dann wüssten wir jetzt, wer es ist.«
Sir Orlando war blass geworden. »Der Kerl schreckt wahrlich vor nichts zurück.«
»Ja, er ist äußerst gefährlich«, pflichtete Jeremy ihm bei. »Ich möchte nun mit den anderen Dienstboten sprechen – und mit Eurer Nichte.«
Trelawney widersprach ihm nicht. Er verfolgte schweigend die Befragung der Bediensteten, die jedoch nichts Neues ergab. Schließlich schickte er Malory los, um Esther zu holen.
»Da fällt mir ein, dass Ihr noch nichts von Mary Peckhams Verlobung wisst«, erinnerte sich der Richter plötzlich. »Ihre Mutter hat entdeckt, dass sie sich heimlich mit einem mittellosen Studenten traf, und ihr verboten, ihn je wiederzusehen. Dann handelte sie die Verlobung mit dem Sohn eines angesehenen Anwalts aus. Die Trauung wird im März stattfinden, eine Woche nach Esthers Hochzeit mit Mr. Holland.«
»Hm, wie hat Mary die Entscheidung aufgenommen?«, fragte Jeremy mit einer Spur Mitleid.
»Sie scheint nicht besonders glücklich, denn offenbar war sie sehr in den jungen Jeffreys vernarrt. Aber Mr. Fenners Sohn ist eine gute Partie. Sie hätte es nicht besser treffen können.«
Jeremy zweifelte daran, dass Mary zu derselben Einsicht kommen würde. Die Gefühle des Studenten waren dagegen viel schwerer einzuschätzen. War George Jeffreys in das Mädchen verliebt, oder sollte ihn die Verbindung auf der Leiter des Erfolgs nur eine Sprosse höher bringen?
Malory kehrte mit ratlosem Gesicht zurück. »Ich kann Mistress Langham nicht
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