Die Richter des Königs (German Edition)
geschneit. Die gewöhnlich schlammigen Straßen waren hart gefroren, eine weiße puderige Schicht bedeckte den Schmutz. Doch die Reinheit würde nicht von langer Dauer sein. Unzählige Hufe und Räder pflügten durch den Schnee und zertrampelten ihn zu grauem Matsch. Selbst die Schneehauben auf den Dächern verfärbten sich rasch unter dem Rauch der Kohlenfeuer und verloren ihr Leuchten.
Bei ihrem Eintreffen herrschte im Haus des Richters deutliche Aufregung. Malory öffnete ihnen die Tür und führte sie in das Studierzimmer. Der Kammerdiener wirkte verstört, und im Vorbeigehen sah Jeremy einige der anderen Dienstboten, in eine erregte Diskussion vertieft, beieinander stehen.
»Was ist passiert?«, fragte er verwundert.
»Seine Lordschaft wird es Euch erklären, Sir. Würdet Ihr bitte hier warten. Ihr auch, Madam.«
Wenig später erschien Sir Orlando und schloss sorgfältig die Tür hinter sich. Auch er war sichtlich betroffen. »Gut, dass Ihr da seid, Doktor«, sagte er. »Ich habe langsam das Gefühl, als habe in dieser Sache der Teufel die Hand im Spiel. Einer der Lakaien ist letzte Nacht gestorben.«
Über Jeremys Gesicht fiel ein Schatten. »Berichtet mir in allen Einzelheiten, was vorgefallen ist, Sir.«
»Johnson, der Laufbursche, der sich mit dem toten Walker eine Dachkammer teilte, wachte mitten in der Nacht auf, weil sich sein Schlafgenosse vor Schmerzen wand. Er weckte Malory, der wiederum mich aus dem Bett holte. Walker erbrach sich und klagte über unerträgliche Leibschmerzen. Ich wollte nach Euch schicken, Dr. Fauconer, doch der Mann war tot, noch bevor der Knecht das Pferd gesattelt hatte.«
»Hat er noch irgendetwas gesagt, bevor er starb?«, fragte Jeremy hoffnungsvoll.
»Seine Schmerzen waren so stark, dass er kaum sprechen konnte«, entgegnete Trelawney. »Er bat verzweifelt um einen Arzt, doch dann wurde ihm wohl klar, dass er im Sterben lag, und er flehte Gott um Vergebung an. Kurz vor seinem Tod murmelte er noch etwas wie: Der Wein … es war der Wein! und schließlich einen Namen: Geoffrey oder Jeffrey.«
»Könnte es auch Jeffreys gewesen sein?«, erkundigte sich Jeremy.
»Nun ja, der arme Kerl sprach sehr undeutlich. Er war zu diesem Zeitpunkt schon halb bewusstlos. Ich dachte zuerst, es sei der Name eines Verwandten oder Freundes, von dem er sich verabschieden wollte. Leider starb er kurz darauf, ohne uns sagen zu können, wen er meinte. Aber ich glaube, ich weiß, an wen Ihr denkt. Wenn Ihr die Leiche jetzt sehen wollt, sie befindet sich noch in der Dachkammer«, fügte Trelawney hinzu.
Jeremy wandte sich an Gwyneth: »Kann ich Euch den Anblick zumuten, Madam?«
»Natürlich. Ich weiß doch, wie wichtig es für Euch ist.«
Der Richter geleitete seine Besucher persönlich nach oben. Die Dachstube war nur spärlich möbliert: ein Baldachinbett, jeweils eine Truhe für die Kleider, zwei Schemel, ein Krug und eine Schüssel aus Zinn zum Waschen, Nachtgeschirr und einige persönliche Gegenstände.
Die Bettvorhänge waren aus Achtung vor dem Toten zugezogen. Jeremy murmelte ein kurzes Gebet, bevor er sie öffnete. Dann entfernte er das Laken, das den Leichnam bedeckte. Ansonsten hatte man den Körper nicht verändert. Er trug noch immer das mit Erbrochenem beschmutzte Nachthemd. Die Gesichtszüge wirkten entstellt, die Finger und Zehen waren krampfartig verkrümmt.
»Mistress Bloundel, seht Euch den Mann an. Erkennt Ihr ihn wieder?«
Die Apothekerfrau trat ungerührt ans Bett und sah in das verwüstete Gesicht. »Es ist schwer zu sagen. Ich habe den Boten ja nur kurz gesehen. Aber ich denke, dass er es ist.«
»Betrachtet ihn genau. Seid Ihr sicher?«
»Je länger ich darüber nachdenke – ja, ich bin sicher.«
»Nun, ich hatte es vermutet«, seufzte Jeremy. »Mylord, es wäre ratsam, die Leiche zu sezieren.«
»Ich werde dem amtlichen Leichenbeschauer Anweisung geben und dafür sorgen, dass Ihr bei der Sektion anwesend sein könnt.«
»Danke, Mylord. Wie es scheint, starb er an einer Vergiftung. Aber ich möchte sichergehen.«
»Vielleicht Selbstmord? Aus Angst vor Entdeckung?«, schlug Sir Orlando vor.
»Wusste er denn von der geplanten Gegenüberstellung?«
»Es tut mir Leid, Doktor. Es ist sehr schwer, etwas vor Dienstboten geheim zu halten. Sie wussten nichts Genaues, aber es hatte sich wohl herumgesprochen, dass einer der Diener verdächtigt wurde und dass eine Untersuchung anstand.«
»Nun, das ist bedauerlich, lässt sich aber nicht mehr ändern«,
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