Die Richter des Königs (German Edition)
kommentierte Jeremy. »Doch auch wenn er tatsächlich etwas so Schreckliches zu verbergen hatte, dass er meinte, mit den Folgen nicht leben zu können, so hätte er wohl kaum einen so schmerzhaften Tod gewählt. Es wäre doch ein Leichtes für ihn gewesen, sich eine Pistole zu besorgen und sich zu erschießen. Nein, wenn er selbst das Gift besaß, das ihn wahrscheinlich umbrachte, dann wusste er sicher auch, wie es wirkte, und dann hätte er es nicht bei sich selbst angewandt. Sofern die Leichenöffnung keine andere, natürliche Todesursache ergibt, würde ich sagen, der Mann wurde ermordet. Die Frage ist nun, warum.« Jeremy sah Trelawney scharf an. »Mylord, Ihr seid Euch hoffentlich im Klaren, dass auch Ihr das Opfer hättet sein können. Habt Ihr Euch genauestens an meine Ratschläge gehalten?«
»Aber ja, ich schwöre es Euch. Malory schläft nach wie vor mit einer geladenen Pistole neben meinem Bett, und er hat einen leichten Schlaf. Alles, was ich zu mir nehme, stammt aus demselben Topf, Fass oder Korb, aus dem auch alle anderen Hausbewohner essen, und wird vor dem Verzehr mit dem Einhorn auf Gift geprüft. Malory beaufsichtigt die Köchin, wenn sie auf dem Markt einkaufen geht, einer der Laufburschen schläft vor der Vorratskammer, und wenn ich irgendwo eingeladen werde, schiebe ich stets einen nervösen Magen als Entschuldigung vor, um nichts essen zu müssen, obwohl es mir manchmal ziemlich schwer fällt. Außerdem gehe ich nie unbewaffnet und ohne Begleitung eines Dieners aus dem Haus. Ihr seht also, ich befolge Euren Rat, und das mit Erfolg. Der Mörder hat keine Chance, mich aus dem Hinterhalt zu erledigen. Nicht einmal einer meiner Dienstboten.«
Gwyneth hatte erstaunt der Aufzählung gelauscht und musterte Jeremy mit anerkennenden Blicken.
»Ihr habt wirklich an alles gedacht, Sir!«, stellte sie fest. »An diesen Vorkehrungen kommt niemand vorbei.«
»Leider war Walker nicht so vorsichtig. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie er mit dem Gift in Berührung gekommen sein könnte. Entweder hier im Haus oder außerhalb. Mylord, mit Eurer Erlaubnis möchte ich nun die Bediensteten verhören«, bat Jeremy schließlich.
Da Gwyneths Anwesenheit nun nicht länger vonnöten war, wollte er sie nach Hause schicken, doch sie bestand darauf, zu bleiben. Sir Orlando ließ zuerst den Laufburschen holen, der mit dem Toten zusammengewohnt hatte. Johnson war kaum älter als zwanzig, ein stämmiger Bauernbursche mit strohgelbem Haar und himmelblauen Augen, die noch immer seine tiefe Erschütterung verrieten.
»Fühlst du dich in der Lage, ein paar Fragen zu beantworten, mein Junge?«, fragte Jeremy rücksichtsvoll.
»Ja, Sir.«
»Du hast mit Walker die Kammer geteilt?«
»Ja, Sir. Seit einem halben Jahr etwa.«
»Habt ihr auch zusammen gearbeitet?«
»Nicht immer, Sir. Ich habe die meiste Zeit Besorgungen erledigt.«
»Weißt du, ob Walker gestern irgendwann das Haus verlassen hat?«
»Ja, ich glaube, er war abends eine Zeit lang weg.«
»Weißt du, ob er einen Auftrag erledigte oder aus eigenem Antrieb das Haus verließ?«
»Ich bin nicht sicher. Seine Lordschaft war gestern Abend nicht im Haus, und so dachte ich, er nutzte die Gelegenheit, um sich davonzustehlen. Doch kurz bevor er ging, sah ich ihn mit Mistress Langham sprechen.«
»Aber du hast nicht gehört, was sie zu ihm sagte?«
»Nein, ich hatte eine Besorgung für die Köchin zu machen.«
»Wann kam Walker zurück?«
»Nach einer ganzen Weile. Er fragte mich, ob ihn jemand vermisst hätte.«
»Wie wirkte er?«, fragte Jeremy weiter.
»Ich hatte den Eindruck, als hätte er was auf der Seele. Aber er sagte nicht, was es war. In der Nacht begann er dann, zu stöhnen und zu jammern. Es war schrecklich.«
Jeremy trommelte nachdenklich mit den Fingerspitzen auf die Armlehne des Stuhls, auf dem er saß. »Hat Walker in den letzten Wochen von einer neuen Bekanntschaft erzählt, von jemandem, der ihn angesprochen hatte, in einer Schenke vielleicht?«
»Ich kann mich nicht erinnern. Er gab sich viel mit Frauen ab, aber er nannte nie Namen.«
»Hatte er Freunde?«
»Er kam vom Land wie ich, aus Kent. Da ist es nicht so leicht, außerhalb des Haushalts, in dem man arbeitet, Freunde zu finden.«
»Wie stand Walker zu Seiner Lordschaft? Hat er sich darüber geäußert?«
»Ich hatte immer das Gefühl, er war zufrieden hier«, antwortete Johnson mit einem unsicheren Seitenblick auf Richter Trelawney.
Jeremy bemerkte es und sagte beschwichtigend:
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