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Die Richter des Königs (German Edition)

Die Richter des Königs (German Edition)

Titel: Die Richter des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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Priester seine seelsorgerischen Tätigkeiten auf ein gerade noch vertretbares Maß ein und verwandte jeden freien Moment auf seine Suche nach einem Zeugen, der den Mörder des Ratsherrn gesehen haben könnte. Sicherlich würde sein Superior ihm für die Vernachlässigung seiner Pflichten einen Tadel erteilen, denn immerhin waren die Seelen seiner Schutzbefohlenen wichtiger als die Not eines einzelnen Mannes, dem Gott schon Gerechtigkeit widerfahren lassen würde, wenn er dessen würdig war. Doch Jeremy nahm die Aussicht auf einen Verweis ergeben in Kauf. Er war sich bewusst, dass das Leben eines Unschuldigen allein in seiner Hand lag – und er hasste diesen Gedanken. Versagte er, würde man Breandán Mac Mathúna mit Sicherheit hängen. Und diesmal würde auch Sir Orlando Trelawney ihn nicht retten, nicht einmal, wenn er es könnte, denn der Richter glaubte nach wie vor an die Schuld des Iren. Sosehr ihm die Gerechtigkeit auch am Herzen lag, die phantastische Theorie von einer unbekannten dritten Person ging über seinen beschränkten Horizont hinaus. Er würde erst zweifeln, wenn er eindeutige Beweise vor sich hatte. Seine vorgefasste Meinung hinderte Trelawney allerdings nicht daran, den Jesuiten aus Freundschaft bei seinen Nachforschungen zu unterstützen, wenn er darum ersuchte.
    Jeremy befragte die Dienerschaft der Häuser nahe des Hofes, in dem das Verbrechen begangen worden war, sprach mit dem Nachtwächter und horchte sogar die Flussschiffer aus. Doch niemandem war an jenem Morgen eine verdächtige Person aufgefallen. Der Mörder blieb tatsächlich gestaltlos, ein geisterhafter Schatten, ein Phantom …
    Die nächste Gerichtstagung am Old Bailey rückte näher, und Jeremy hatte noch immer nichts in der Hand, was dem Beschuldigten helfen konnte. Ihm blieb keine andere Wahl, als seine Taktik zu ändern. Wenn er keinen Entlastungszeugen fand, musste er nach anderen Verdächtigen suchen. Wer außer Breandán hatte ein Motiv, Sir John Deane zu ermorden? Jemand aus seiner Familie, einer seiner Freunde, ein Kaufmann, mit dem er Geschäfte gemacht hatte? Jeremy bediente sich der besten Methode seiner Zeit, um an Auskünfte zu kommen: Er horchte die Dienstboten aus. In jedem Haushalt fand sich ein gieriger Lakai oder eine Magd, die gegen klingende Münze die bestgehüteten Geheimnisse ihrer Herrschaft ausplauderten. Bald wusste der Jesuit über die Geschäfte des ehemaligen Ratsherrn und Kaufmanns umfassend Bescheid. Doch er entdeckte nur ein paar harmlose Betrügereien, nichts, was einen Mord rechtfertigen würde.
    Deanes ältester Sohn beerbte seinen Vater, doch da der Junge nie besonderes Interesse an Handelsgeschäften gezeigt hatte, konnte sich Jeremy nicht vorstellen, dass er dafür getötet hätte. Es war zum Verzweifeln! Niemand hatte einen überzeugenden Grund, Sir John Deane umzubringen, und doch hatte es jemand getan. Aber wer? Und warum? Jeremy wusste es nicht. Schweren Herzens musste er sich eingestehen, dass er versagt hatte.

    »Wie kommt Ihr mit Euren Untersuchungen voran, Pater?«, erkundigte sich Sir Orlando neugierig, als Jeremy ihn drei Tage vor der Gerichtssitzung aufsuchte.
    »Nicht so gut, wie ich hoffte«, gab er zähneknirschend zu. »Niemand hat den Mörder gesehen, weder vor noch nach der Tat. Ich denke, das Ganze war sorgfältig geplant.«
    »Wie kommt Ihr darauf?«, fragte Trelawney, während er seinem Gast Wein in eines der neuen venezianischen Gläser einschenkte, die er sich vor kurzem in einem Anflug von Extravaganz zugelegt hatte. Doch er war nicht überrascht, dass der Jesuit die geschliffenen Kelche überhaupt nicht wahrnahm.
    »Wundert es Euch nicht, was Sir John Deane so früh am Morgen am Strand zu suchen hatte? Sein Haus befindet sich doch innerhalb der Stadtmauern. Er muss den Stadtkern vor dem Öffnen der Tore verlassen und die Torwächter mit einem Trinkgeld überredet haben, ihn durchzulassen. Es kann also kaum ein morgendlicher Spazierritt gewesen sein.«
    »Vielleicht hatte er eine Verabredung.«
    »Möglich. Wenn es so war, hat er allerdings ein ziemliches Geheimnis daraus gemacht. Ich habe mit einem seiner Diener gesprochen, und der wusste nur, dass Deane früh das Haus verließ, aber nicht, wohin er ritt oder ob er sich mit jemandem treffen wollte.«
    »Und das lässt Euch nun keine Ruhe.«
    »Nein, denn ich spüre genau, dass in dem Grund für seinen frühen Aufbruch des Rätsels Lösung liegt.«
    »Und Ihr glaubt, ich kann Euch helfen, es

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