Die Richter des Königs (German Edition)
Zurückweichen auslöste. Doch in diesem Moment empfand er so tiefes Mitgefühl für Breandán, dass der Wunsch, ihm zu helfen, stärker war als alle Scheu vor menschlicher Nähe.
Der Ire war sichtlich erstaunt, sich so unvermutet in einer väterlichen Umarmung wiederzufinden, die ihm trotz allem wohl tat, doch es dauerte nur einen Moment, bis er begriff, was sie bedeutete. »Ihr habt nichts herausfinden können«, konstatierte er. Es war nur die simple Feststellung einer Tatsache, kein Aufbegehren, kein Verzweiflungsausbruch, nur widerstandslose Resignation und grenzenlose Ernüchterung.
Jeremy fand keine Worte, um sein Scheitern auszudrücken. Linkisch setzte er an: »Es sind noch ein paar Tage … ich werde weiter suchen …«
Ohne den Priester anzusehen, entgegnete Breandán: »Ihr habt getan, was in Eurer Macht stand, Pater. Ich danke Euch dafür. Aber es scheint wohl, dass ich geboren wurde, um gehängt zu werden.«
»Das dürft Ihr nicht sagen. Niemand weiß, welche Pläne Gott mit Euch hat.«
»Ich habe für ein paar Monate erleben dürfen, dass das Leben auch schön sein kann. Ihr habt mir diese Erfahrung ermöglicht. Nun, ich wusste von Anfang an, dass es nicht von Dauer sein würde.« Breandán legte den Kopf in den Nacken, und Jeremy hatte auf einmal das Gefühl, als wolle er sein Gegenüber daran hindern, in seine Augen zu sehen und darin womöglich ein Zeichen von Schwäche zu entdecken.
»Es ist noch zu früh, um alle Hoffnung aufzugeben, mein Sohn«, tadelte ihn Jeremy. »Noch seid Ihr am Leben. Und auch wenn es Euch so scheinen mag, das Ergebnis des Prozesses steht nicht von vornherein fest. Die Jury wird sich Eure Version des Geschehens anhören und erst dann entscheiden, ob Ihr des Mordes schuldig seid oder nicht. Wenn Ihr sie überzeugen könntet, dass Ihr nicht geplant hattet, Deane zu töten, dass er Euch aber so sehr provozierte, dass Ihr ihn zum Duell gefordert und Euch dann nur gegen ihn verteidigt habt … Legt den Geschworenen dar, dass er Eure Ehre beleidigt hatte …«
»Pater, ein Mann wie ich hat in den Augen dieser Bürgersleute keine Ehre.«
»Erklärt der Jury trotzdem, was Deane zu Euch sagte. Dann wird sie verstehen, weshalb es zu dieser Auseinandersetzung kam.«
»Nein!«, sagte Breandán schroff.
Jeremy sah ihn überrascht an. »Warum nicht?«
Der junge Mann wandte sich ab und starrte die Steinquader der Wand an.
»Warum wollt Ihr nicht wiederholen, womit Deane Euch reizte?«, fragte Jeremy verwirrt. »Was war so schlimm daran?«
»Ich will nicht darüber sprechen«, wehrte Breandán eigensinnig ab.
»Mein Sohn, dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um Euren gekränkten Stolz zu pflegen. Euer Leben steht auf dem Spiel«, mahnte Jeremy eindringlich.
Da sprang Breandán vom Bett, auf dem er mit dem Priester gesessen hatte, auf einmal völlig verwandelt, nicht mehr schwermütig und niedergeschlagen, sondern von einer Wut und Bitterkeit erfüllt, die ihn am ganzen Körper zittern ließ.
»Ich weiß!«, schrie er. »Ich weiß, dass man mich hinrichten wird, egal, was ich tue oder sage. Ich habe nicht die geringste Chance. Gebt es doch zu! Oder seid Ihr ein Heuchler wie die anderen?«
Jeremy zuckte zusammen, weil er zugeben musste, dass der Ire Recht hatte, zumindest zum Teil. Die Lage des Angeklagten war hoffnungslos, solange er keinen Entlastungszeugen oder den wirklichen Mörder beibringen konnte. Aber Jeremy weigerte sich, aufzugeben, und er wollte verhindern, dass Breandán es tat. Sonst würde er noch vor dem Prozess alle Kraft einbüßen, die er doch für seine Verteidigung nötig brauchte.
»Ich will nicht, dass Ihr den Mut verliert«, erklärte der Jesuit schließlich. »Dazu habt Ihr noch genug Zeit, wenn sich die Schlinge um Euren Hals zusammenzieht. Erst dann dürft Ihr verzweifeln und mich verfluchen, weil ich versagt habe. Aber bis dahin müsst Ihr um Euer Leben kämpfen und mich in meinem Bemühen, Euch zu helfen, mit allen Kräften unterstützen.«
Breandán ließ sich wieder auf das Bett sinken. Der unkontrollierte Zornesausbruch war verraucht und das Lodern in seinen Augen erloschen. Jeremy war sich nicht sicher, ob seine Worte ihn erreicht hatten, seinen Kampfgeist schienen sie jedenfalls nicht geweckt zu haben.
»Ich schwöre, dass ich auch weiterhin alles tun werde, um Eure Unschuld zu beweisen. Versprecht mir einfach nur, durchzuhalten!«, bat der Priester sanft.
Er wandte sich zum Aufbruch, doch bevor er die Tür des Kerkers erreichte,
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