Die Richter des Königs (German Edition)
herauszufinden.«
»Wenigstens hoffe ich das. Deanes Witwe könnte es wissen. Doch mit einem Fremden wie mir wird sie kaum reden.«
»Nun, ich kenne sie auch nicht persönlich.«
»Aber sie kennt Euch, zumindest dem Namen nach, und wird sich nicht weigern, Euch zu empfangen. Ich bitte Euch, es zu versuchen.«
»Also gut«, lenkte Sir Orlando ein. »Wenn Ihr Euch etwas davon versprecht, werde ich Lady Deane gleich morgen befragen.«
»Ich würde Euch gerne begleiten, Mylord.«
Der Richter lächelte ironisch. »Ihr traut mir nicht zu, die richtigen Fragen zu stellen.«
»Das ist es nicht. Ich möchte nur gerne sehen, wie die Witwe reagiert.«
Am nächsten Morgen holte Trelawney den Priester mit seiner Kutsche ab.
»Es wäre mir lieber, Ihr kämt nicht mit«, gestand Sir Orlando mit ernster Miene. »Deane war in der Stadt sehr bekannt und wurde hoch geschätzt. Seine Ermordung hat beträchtliches Aufsehen erregt. Die Londoner Bürgerschaft verlangt, dass der Täter so bald wie möglich bestraft wird. Mit anderen Worten: Die braven Leute haben Blut gerochen und wollen ihn hängen sehen. Und sie werden jeden als Feind betrachten, der ihnen ihr Opfer entreißen will. Wenn man erst auf Eure Nachforschungen aufmerksam geworden ist, wird man anfangen, Fragen über Euch zu stellen. Und dann dauert es gewiss nicht lange, bis man herausfindet, dass Ihr römischer Priester seid.«
»Dessen bin ich mir bewusst, Mylord«, versicherte Jeremy. »Aber es geht hier um das Leben eines Menschen. Da muss ich das Risiko eingehen und mein eigenes Wohl hintanstellen.«
»Ihr seid närrisch, Euch für diesen Strauchdieb in Gefahr zu bringen.«
»Er ist kein Strauchdieb, und das werde ich Euch beweisen.«
»Euch ist nicht zu helfen.«
»Mylord, ich halte Breandán Mac Mathúna für unschuldig. Deshalb werde ich alles tun, um ihn vor dem Galgen zu bewahren.«
»Muss ich Euch als Priester daran erinnern, dass unser aller Leben allein in Gottes Hand liegt?«, tadelte der Richter den Jesuiten.
»Nun, der Gründer unseres Ordens, Ignatius von Loyola, hat einmal gesagt: ›Wir müssen so rückhaltlos auf Gottes Gnade vertrauen, als ob alle menschlichen Mittel nichts vermöchten; gleichzeitig aber alle menschlichen Mittel mit solcher Umsicht und Tatkraft anwenden, als ob aller Erfolg einzig davon abhinge‹«, zitierte Jeremy mit einem verschmitzten Lächeln.
Trelawney zog beeindruckt die Brauen hoch. »Ein kluger Mann, Euer Ignatius. Ich muss zugeben, ich verstehe immer besser, warum Ihr Euch der Gesellschaft Jesu angeschlossen habt.«
Sie waren inzwischen vor dem prächtigen Fachwerkhaus des toten Ratsherrn auf der Broad Street angekommen und warteten nun, bis der Laufbursche sie angemeldet hatte. Kurz darauf kehrte der Lakai zurück und teilte seinem Herrn mit, dass Lady Deane sich bereit erklärt hatte, sie zu empfangen.
Eine Magd führte sie in einen Empfangsraum mit getäfelten Wänden, in dem sie eine in Schwarz gekleidete, ältere Frau erwartete. Sie saß starr aufgerichtet in einem Armlehnstuhl und wies ihren Besuchern zwei Stühle an.
»Mylord, Ihr seht mich überrascht über Euren unangekündigten Besuch. Ich vermute, es geht um das Verbrechen, dem mein seliger Gatte zum Opfer gefallen ist.«
»Bitte erlaubt mir zuvor, Euch mein aufrichtiges Beileid zu bekunden, Madam«, setzte Sir Orlando in höflichem Ton an. »Niemand kann den Verlust ermessen, den Ihr erlitten habt.«
Das strenge Gesicht der Kaufmannsfrau wandte sich mit einem misstrauischen Ausdruck Trelawneys Begleiter zu. Ihr aus der Stirn gekämmtes, graues Haar verschwand fast vollständig unter einer schwarzen Spitzenhaube, und ihr schmuckloses Kleid war bis zum Hals geschlossen, nicht allein als sichtbare Attribute der Trauer, sondern auch als Zeugnis der puritanischen Neigung der Familie.
Jeremy sprach der Witwe ebenfalls sein Beileid aus, während diese ihn mit unverhohlenem Argwohn musterte. Der Instinkt der Frauen?, überlegte Jeremy. Sie ahnt, dass wir gekommen sind, um sie auszuhorchen.
»Es gibt da noch eine Frage, die bei den Untersuchungen bezüglich des Todes Eures Gatten offen geblieben ist, Madam«, erklärte Sir Orlando. »Für das Gericht ist es wichtig, sich ein umfassendes Bild der Umstände zu machen, unter denen das Verbrechen stattfand. Dazu gehört auch der Anlass, der Euren Gatten zu so früher Stunde nach Westminster führte. Wisst Ihr etwas darüber?«
Lady Deane wirkte sichtlich konsterniert. Sie sah den Richter eine Weile stumm
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