Die Richter des Königs (German Edition)
oder ob er geschwiegen habe. Das Gemurmel wurde lauter und lauter, bis Trelawney schließlich die Geduld verlor und mit der Faust auf den Tisch schlug. »Ausrufer, sorgt dafür, dass Ruhe einkehrt!«
Da jeder wissen wollte, wie es weiterging, brachte die Neugier die Leute unverzüglich zum Schweigen.
Sir Orlando wandte sich an den Iren, der wie unbeteiligt dastand und zu Boden starrte. »Angeklagter, antwortet laut und vernehmlich auf die Frage, die der Gerichtsschreiber Euch stellt.«
Dieser wiederholte noch einmal die Formel: »Wie soll über dich gerichtet werden?«
Doch wieder wartete er vergeblich auf eine Antwort. Der Beschuldigte blieb stumm. Sir Orlando begann, sich unwohl zu fühlen.
Der zu seiner Linken sitzende Richter Tyrrell vom Zivilgericht bemerkte: »Vielleicht kann er nicht sprechen, oder er ist taub und kann den Gerichtsschreiber nicht verstehen.«
»Dann sollten wir die Jury entscheiden lassen, ob der Angeklagte an einem derartigen Gebrechen leidet«, fügte der Recorder, einer der Stadtrichter von London, hinzu.
Daraufhin wandte der Lord Mayor ein, dass die Jury ja noch gar nicht vereidigt sei und ob man wohl die Grand Jury für diese Aufgabe bemühen könne.
Sir Orlando hörte der Diskussion, die unter seinen Brüdern und den Ratsherren ausbrach, nicht zu. Sein Blick heftete sich auf den jungen Mann, der reglos vor der Schranke stand, als ginge ihn die ganze Angelegenheit nichts an. Er hoffte, dass dies nur eine weitere Demonstration seines kapriziösen irischen Stolzes darstellte, wie er sie schon bei seinem ersten Prozess erlebt hatte. Dieser Starrkopf würde es seinen Richtern nicht leicht machen. Ohne sich um die Debatte zu kümmern, in die sich seine Beisitzer ergingen, wandte sich Sir Orlando an Breandán: »Angeklagter, habt Ihr die Frage des Gerichtsschreibers gehört?«
Der Ire hob den Kopf und sah ihm direkt in die Augen, als seien sie beide allein. »Ja«, antwortete er tonlos.
»Habt Ihr auch ihren Sinn verstanden?«
»Ja.«
»Dann kennt Ihr die einzig mögliche Antwort auf die Frage, wie sie das Gesetz verlangt?«
»Ja.«
»Nun, werdet Ihr sie geben?«
»Nein.«
Trelawney hielt irritiert inne. In den Augen des Iren blitzte auf einmal ein herausfordernder Funke auf, und das gefiel ihm nicht. Was hatte dieser Narr vor? Es geschah häufiger, dass an dieser Stelle des Verfahrens die Verstocktheit eines Angeklagten den Prozess vorübergehend aufhielt. Meist waren es Dissenters, besonders Quäker, die eine generelle Abneigung gegen Schwüre und Formeln hegten und als Ausdruck ihres Trotzes vor Gericht immer wieder versuchten, die Richter in spitzfindige juristische Streitgespräche zu verwickeln. Es kostete stets Zeit und Mühe, die Aufsässigen zur Vernunft zu bringen. Blieben sie starrsinnig, war es zuweilen unumgänglich, sie in den Kerker zurückzuschicken. Doch diese Querköpfe waren zumeist geringerer Vergehen angeklagt. Bei einem Kapitalverbrechen wie in diesem Fall hatte die Weigerung des Angeklagten, mit dem Gericht zu kooperieren, schwerwiegende Konsequenzen.
In geduldigem Ton wandte sich Trelawney erneut an den Iren: »Wenn Ihr die verlangten Worte nicht sprecht, verliert Ihr das Recht auf einen Prozess und damit die Möglichkeit, Euch zu verteidigen.«
Breandán schwieg.
Nun schaltete sich Richter Tyrrell ein: »Angeklagter, Ihr müsst sagen, dass Ihr Euch Gott und Eurem Land unterstellt, sonst kann Euch nicht der Prozess gemacht werden.«
Sir Orlandos Blick bohrte sich in den des Iren, der auf einmal alles andere als leblos wirkte. Eine ungeheure Provokation flammte darin auf.
Trelawney spürte Ärger in sich aufsteigen. Das ist es also, was du beabsichtigst, dachte er. Narr, verdammter Narr, welch ein Preis für einen so wertlosen, flüchtigen Triumph. Wie stark muss dein Hass sein, dass du ein solches Opfer bringen willst, nur um dich zu rächen, an diesem Land, an den Privilegien seines Volkes, die es mit Stolz erfüllen und für die einst viele Menschen gestorben sind – und an mir, vor allem an mir willst du dich rächen, indem du mich zwingst, ein unrühmliches Gesetz unserer Justiz anzuwenden, einer Justiz, die die gerechteste der Welt ist. Ja, in deiner Schwäche besitzt du doch die Macht, mich zu zwingen. Es erfüllt dich mit Genugtuung, zu sehen, wie ich etwas tun muss, das ich verabscheue und das mir Nacht für Nacht den Schlaf rauben wird. Alles nur aufgrund eines tragischen Irrtums, eines Missverständnisses in der Anwendung eines längst
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