Die Richter des Königs (German Edition)
sein mochten, tatsächlich echt waren und dass der Verlust des Mannes, den sie liebte, ihr das Herz brechen würde.
Nun, er musste sie, zumindest für den Moment, zur Vernunft bringen und sie daran hindern, sich zu verausgaben, sonst würde sie die Strapazen der Geburt kaum durchstehen. Er sank neben ihr auf die Bettkante und packte sie energisch bei den Schultern.
»Mylady, Ihr müsst Eure Kräfte schonen. Es ist keine leichte Aufgabe, ein Kind zur Welt zu bringen. Ihr wisst nicht, was auf Euch zukommt.« Beschwörend fügte er hinzu: »Bitte, Amoret, wenn du schon nicht an dein Wohl denkst, dann denk an Breandán. Du kannst ihm nicht helfen, wenn du durch eine schwere Geburt Schaden nimmst und das Fieber bekommst.«
Er hatte sie nicht mehr geduzt, seit sie ein Kind gewesen war, und diese vertrauliche Anrede, die seine zunehmende Sorge verriet, durchdrang endlich die Nebel der Verzweiflung, die sie der Wirklichkeit entfremdet hatten. Sie starrte ihn mit tränenerfüllten Augen an und bemerkte die Blässe und Anspannung in seinem Gesicht. Er hatte Angst um sie. Diese Erkenntnis brachte sie allmählich wieder zur Vernunft. Sie liebte ihren alten Freund zu sehr, um ihm Kummer zu machen.
»Es tut mir Leid, Pater«, flüsterte sie schuldbewusst. »Aber ich habe solche Angst, dass ich ihn verliere …«
»Vertraut mir«, bat Jeremy. »Ich werde schon einen Weg finden, um das Schlimmste zu verhindern. Und nun denkt nicht mehr daran. Ihr müsst Euch ganz auf die Aufgabe konzentrieren, die vor Euch liegt.«
Sechsunddreißigstes Kapitel
V or dem Sitzungshaus am Old Bailey hielt Alan nervös Ausschau nach Jeremy und Lady St. Clair. Immer wieder wurde er von vorbeiströmenden Schaulustigen, die dem Gerichtshof zustrebten, zur Seite gedrückt und musste sich energisch gegen die nicht versiegende Menschenflut stemmen, um nicht einfach mitgerissen zu werden. Einen derartigen Andrang hatte die Old-Bailey-Sitzung schon lange nicht mehr erlebt. Sicher wurde neben Eigentumsdelikten auch häufiger mal ein Mord verhandelt, doch ein derart stadtbekanntes Opfer wie Sir John Deane hatte es seit den Prozessen der Königsmörder nicht mehr gegeben.
Alan reckte immer wieder ungeduldig den Hals, wenn er ein Gefährt herankommen sah, und wandte sich enttäuscht wieder ab, wenn er feststellte, dass es nicht Lady St. Clairs Kutsche war. Wo, zum Teufel, blieben die beiden nur? Jeremy war an diesem Morgen früh genug aufgebrochen, um die Lady abzuholen, er hätte längst mit ihr hier sein müssen. Ihm lag so viel daran, Breandán beizustehen, dass er den Prozess auf keinen Fall versäumen würde. Es sei denn … Alan war sich nicht sicher, wie weit Amorets Schwangerschaft fortgeschritten war, doch er ahnte, dass das Ausbleiben seines Freundes mit der bevorstehenden Niederkunft zu tun hatte. In diesem Fall würde er allerdings vergeblich warten.
»Meister Ridgeway?«, erkundigte sich eine höfliche Stimme in Alans Rücken. Verwundert drehte er sich um und stand einem schlanken, gut aussehenden jungen Mann gegenüber.
»Meister Ridgeway«, wiederholte dieser, »ich bin George Jeffreys. Ich nehme an, Dr. Fauconer hat meinen Namen schon einmal erwähnt.«
»O ja«, versicherte Alan. »Das hat er.«
»Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass Dr. Fauconer der heutigen Gerichtssitzung beiwohnen würde. Immerhin wird sein Schützling McMahon wegen Mordes angeklagt.«
»Nun, das hatte er auch vor. Irgendein Notfall muss ihn aufgehalten haben.«
»Ein Jammer. Einen solch aufsehenerregenden Prozess werden wir so bald nicht wieder erleben. Aber vielleicht wollt Ihr mir statt seiner Gesellschaft leisten. Ich habe zwei ausgezeichnete Plätze, von denen aus Ihr alles aus nächster Nähe beobachten könnt.«
Alan sah sich genötigt, das Angebot anzunehmen, denn mittlerweile war es im Gerichtshof so voll geworden, dass er keinen Platz mehr gefunden hätte. Es war höchste Zeit. Die Richter hatten sich bereits an ihrem erhöht stehenden Pult niedergelassen, und der Ausrufer bat mit sonorer Stimme um Ruhe. Sir Orlando Trelawney erklärte die Sitzung für eröffnet. Während die Formalitäten erledigt wurden, sah Alan sich in der Menge um, in der Hoffnung, dass Jeremy doch noch eingetroffen war, doch sosehr er auch um sich spähte, das hagere Gesicht seines Freundes war nirgendwo zu entdecken. Stattdessen bemerkte er zu seinem Erstaunen Gwyneth Bloundel unter den Zuschauern, wandte aber sogleich den Blick ab, als sie in seine Richtung sah.
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