Die Richter des Königs (German Edition)
redete sich ein, dass es gewiss noch ein paar Tage dauern würde. Wenn der Prozess vorbei ist, dachte sie immer wieder, wenn ich erst Gewissheit habe, was mit Breandán geschieht, dann kann ich mich meinem Kind widmen …
Jeremy stützte sie auf dem Weg zum Hof, wo Lady St. Clairs Kutsche bereitstand, und half ihr beim Einsteigen. Dann nahm er auf dem schmalen Vordersitz Platz, damit sie die hintere Bank für sich hatte. Die Kutsche verließ den Hof und bog auf den Strand ein. Amoret legte instinktiv den rechten Arm in den Rücken, um sich zu stützen, doch das Ruckeln des Kutschkastens in seiner primitiven Aufhängung trieb ihr unwillkürlich den Schweiß auf die Stirn. Trotzig biss sie die Zähne zusammen, unterdrückte ein Stöhnen und bemühte sich hartnäckig, ihre Gesichtszüge zu entspannen, als sie Jeremys misstrauischen Blick auf sich gerichtet sah. Das erste Schlagloch auf der unebenen Straße brachte Amorets Fassade schließlich zum Einsturz. Die Erschütterung löste einen stechenden Schmerz in ihrem Bauch aus und ließ sie aufschreien. Im Nu war Jeremy an ihrer Seite und nahm ihre Hand.
»Das müssen die Vorboten sein«, stellte er alarmiert fest. »Warum habt Ihr nichts gesagt, bevor wir losgefahren sind, törichtes Ding?« Er lehnte sich aus dem Fenster und rief dem Kutscher zu, sofort umzukehren.
Amoret klammerte sich mit einer Kraft an seinen Arm, dass es ihm wehtat. »Nein!«, keuchte sie. »Es darf nicht sein. Nicht jetzt!«
»Mylady, seid vernünftig. Das Kind bestimmt den Zeitpunkt. Und es hat diese Stunde gewählt.«
Amoret stieß einen Schrei aus, der Jeremy durch Mark und Bein ging. Zuerst glaubte er, eine besonders schmerzhafte Wehe habe eingesetzt. Doch es war kein Ausdruck körperlicher Qual, sondern ein Wutschrei, der in ein wildes Schluchzen überging.
»Nicht jetzt«, klagte Amoret immer wieder. »Nicht jetzt. Verflucht sei dieses Kind. Ich hasse es. Ich hasse es.«
Entsetzt über ihre Worte, drückte Jeremy ihre Hand. »Mylady, nehmt Euch zusammen. Ihr wisst nicht, was Ihr sagt.« Er redete beruhigend auf sie ein, doch sie schien ihn nicht zu hören, sondern brach in Tränen aus.
Im Hof von Hartford House angekommen, half er ihr aus der Kutsche und nahm sie dann auf die Arme. »Sagt Myladys Zofe Bescheid. Sie soll alles für die Entbindung vorbereiten«, befahl Jeremy dem Kutscher, der ihnen hastig voranlief, um den Auftrag auszuführen.
In Amorets Schlafgemach setzte Jeremy sie auf dem Bett ab, während die herbeieilenden Bediensteten die Utensilien zusammentrugen, die er schon vor Tagen vorsorglich ins Haus hatte bringen lassen, darunter den üblichen Gebärstuhl mit dem ausgeschnittenen Sitz. Man schickte nach einer Hebamme, die Jeremy aber nur zur Hand gehen und sich nach seinen Anweisungen richten sollte. Nachdem Helen, Lady St. Clairs Zofe, ihre Herrin bis aufs Hemd entkleidet hatte, tastete der Priester die Schwangere gründlich ab, um festzustellen, ob das Kind richtig lag. Amoret hatte sich noch immer nicht beruhigt und begann, sich gegen Jeremy zu wehren.
»Geht!«, flehte sie. »Ihr dürft Breandán nicht im Stich lassen. Wenn ich schon nicht bei ihm sein kann, müsst Ihr es zumindest.«
Der Jesuit schüttelte energisch den Kopf. »Ihr braucht mich jetzt nötiger als er. Während des Prozesses kann ich ohnehin nichts für ihn tun. Meister Ridgeway wird da sein und uns dann berichten, wie das Verfahren gelaufen ist.«
Doch keines seiner Worte vermochte Amoret zu besänftigen. Sie weinte und schluchzte wie ein Mensch, der alle Hoffnung verloren hatte. »Ich werde ihn nie wiedersehen. Sie werden ihn umbringen, und ich werde ihn nie wiedersehen.«
Jeremy sah verstört und hilflos auf sie hinab. Sicher, er hatte gewusst, dass sie einen Narren an dem jungen Iren gefressen hatte, auch wenn er nicht recht verstand, warum, so wenig umgänglich und in sich verschlossen, wie Breandán nun mal war. Aber jetzt musste er erkennen, dass Amoret offenbar nicht nur Zuneigung für ihn empfand, sondern tiefe leidenschaftliche Liebe, ein Gefühl, das in Jeremys Augen völlig unvernünftig und unverständlich, ja geradezu gefährlich war. Vielleicht war es nur die Reaktion auf den Beginn der Geburt, bei der viele Frauen unter starken Gemütsschwankungen litten, die nach einigen Tagen wieder abklangen, redete der Jesuit sich ein. Doch sein Verstand sagte ihm, dass er sich selbst etwas vormachte und sich damit abfinden musste, dass Amorets Gefühle, so verrückt und schädlich sie
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