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Die Richter des Königs (German Edition)

Die Richter des Königs (German Edition)

Titel: Die Richter des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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zentnerschweren Gewichten zu Tode quetschen ließ.
    Ohne anzuhalten, hastete Alan den Old Bailey entlang, bog in den Ludgate Hill ein und lief zur Anlegestelle von Blackfriars hinunter. Ungeduldig wartete er auf ein Boot, obwohl er wusste, dass es sinnlos war, sich abzuhetzen, denn das Urteil des Gerichts wurde erst am nächsten Morgen vollstreckt. Da Alan aber nicht sicher war, ob Jeremy sich tatsächlich im Haus von Lady St. Clair aufhielt, wollte er keine Zeit verlieren.
    Ein Flussschiffer nahm ihn schließlich auf und setzte ihn kurze Zeit später am Landungssteg von Hartford House ab. Nachdem Alan seinen Namen genannt hatte, führte ein Lakai ihn durch den Garten ins Haus bis vor eine Tür im Obergeschoss. Es herrschte ein reges Kommen und Gehen. Dienstmädchen trugen schmutzige Laken und mit Wasser gefüllte Schüsseln aus dem Raum, in dem Alan ein großes Baldachinbett stehen sah. Vorsichtig trat er näher. An der Seite des Bettes saß Jeremy auf einem Stuhl, die Hemdsärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt, und rieb sich die Stirn. Er wirkte müde und erschöpft. Als er plötzlich Alan neben sich auftauchen sah, zuckte er zusammen.
    »Was macht Ihr denn hier?«, zischte er. »Ihr solltet doch den Prozess verfolgen.«
    Alan beugte sich vor, um einen Blick auf die Frau im Bett zu erhaschen. »Ist sie wohlauf?«
    »Ja, sie schläft.«
    »Und das Kind?«
    »Es liegt dort in der Wiege. Ein prächtiger Junge«, verkündete Jeremy stolz, als sei er selbst der Vater. »Und nun erklärt mir endlich, was passiert ist.«
    »Der Prozess findet nicht statt. Breandán hat sich geweigert, das Gericht anzuerkennen. Morgen wird man ihn foltern.«
    »Was? Das kann nicht Euer Ernst sein.«
    »Leider doch.«
    »Und Richter Trelawney hat nichts getan, um das zu verhindern?«
    »Glaubt mir, er hat es versucht. Er hat auf Breandán eingeredet, wie übrigens die anderen Richter auch. Sie haben kein Interesse daran, einen Mann ohne Prozess zum Tode zu verurteilen. Das wirft ein schlechtes Licht auf unsere Justiz.«
    »Ich fange an, den Glauben an die englische Justiz zu verlieren«, sagte Jeremy zähneknirschend. »Alan, bleibt hier und achtet gut auf Lady St. Clair. Ich vertraue sie Euch an. Wenn sie aufwacht, sagt ihr nicht, was passiert ist. Das würde sie nur aufregen. Erklärt ihr, dass der Prozess verschoben wurde. Derweil spreche ich mit Seiner Lordschaft.«

 Siebenunddreißigstes Kapitel 
    W ie könnt Ihr das zulassen?«, rief Jeremy lauter und anklagender, als er es eigentlich beabsichtigt hatte. »Wie könnt Ihr es mit Eurem Ehrgefühl vereinbaren, einen Menschen zu einem so qualvollen Tod zu verurteilen?« Die Hände zu Fäusten geballt, schritt der Priester aufgebracht in Trelawneys Studierstube im Serjeants’ Inn auf und ab, verblüfft über seine Unbeherrschtheit, die er an sich nicht kannte.
    Der Richter stand an seinem Schreibtisch und verfolgte die gereizten Gesten seines Besuchers mit verständnisvoller Nachsicht. »Es liegt nicht in meiner Macht, es zu verhindern«, entgegnete er ruhig.
    »Auf dem Kontinent preist man das englische Recht als das menschlichste und gerechteste von allen, weil der Freiheitsbrief des englischen Volkes, die Magna Charta, die Anwendung der Folter verbietet. Welch ein Hohn! Wie viele meiner Glaubensgenossen sind allein unter Königin Elizabeth gefoltert worden.«
    »Dies geschah auf ausdrücklichen Befehl des Monarchen«, widersprach Sir Orlando geduldig. »Dem Gemeinen Recht nach galt die Folter damals ebenso wenig als legal wie heute. Ich weiß, dass auch einige Eurer Brüder der Tortur unterzogen wurden, und es tut mir Leid, das müsst Ihr mir glauben. Aber die ständige Bedrohung unseres Königreichs durch die römisch-katholischen Mächte rief damals große Angst hervor und führte bedauerlicherweise zu einer unangemessenen Grausamkeit. Ich versichere Euch jedoch, dass die Folter heutzutage hier in England nicht mehr angewendet wird.«
    »Mit Ausnahme der peine forte et dure!«, gab Jeremy empört zurück.
    »Ja, mein Freund, so schwer es mir fällt, es zuzugeben, so ist es. Und was diese beklagenswerte Tatsache umso tragischer macht, ist der Umstand, dass die bloße Existenz dieser Art der Folter auf einem unerklärlichen juristischen Missverständnis beruht. Das Statut, auf das sie zurückgeht, spricht eigentlich von prison forte et dure , von verschärften Haftbedingungen, unter denen der Gefangene untergebracht werden sollte. Niemand weiß, wann und warum aus prison

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