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Die Richter des Königs (German Edition)

Die Richter des Königs (German Edition)

Titel: Die Richter des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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seiner Tonpfeife.
    Amoret ließ sich nicht dazu herab, ihn zu grüßen. »Ist Dr. Fauconer da, Bursche?«
    »Nein«, war die knappe Antwort.
    »Weißt du, wann er zurückkommt?«
    »Nein.«
    »Er war den ganzen Tag nicht hier?«
    »Nein.«
    »Wann war er das letzte Mal hier? Rede endlich, zum Teufel!«
    »Vorgestern oder am Tag davor. Ich kann mich nicht mehr erinnern.«
    »Wo ist Mistress Brewster?«
    »Einkaufen.«
    Amoret verkniff sich einen Fluch. Pater Blackshaw war also schon seit mehreren Tagen nicht mehr zu Hause gewesen, wenn man dem unverschämten Burschen glauben konnte. Aber wo konnte er sein? Sorge übermannte sie. Wenn ihm nun etwas zugestoßen war! Sie musste ihn suchen!
    Ohne ein weiteres Wort eilte Amoret aus dem Haus und bestieg wieder ihre Kutsche.
    »Nach St. Giles, Robert!«
    Der Kutscher murmelte etwas Unverständliches vor sich hin. Er hätte gerne protestiert, fürchtete sich aber davor, wie so viele andere Dienstboten entlassen zu werden, wenn er einen Befehl verweigerte.
    Amoret hatte die Armenviertel von St. Giles-in-the-Fields noch nie betreten, doch was sie sah, übertraf ihre schlimmsten Vorstellungen. Die Häuser befanden sich in einem erbärmlichen Zustand, bei manchen fragte man sich unwillkürlich, was sie überhaupt noch aufrecht hielt, so baufällig wirkten sie. Die meisten Gassen, die die Elendsquartiere verbanden, waren so schmal, dass zwei Menschen kaum aneinander vorbeikamen, und folglich für eine Kutsche unpassierbar. Allerdings verspürte Amoret bei genauerem Hinsehen kein großes Verlangen, die heruntergekommenen düsteren Gassen zu betreten. Eine Weile ließ sie den Kutscher die breiteren Straßen abfahren und hielt dabei Ausschau nach Pater Blackshaw. Doch bald sah sie ein, dass es sinnlos war und sie eine Nadel im Heuhaufen suchte. Dieser Irrgarten an Gässchen und Durchgängen war eine Welt für sich. Und sie war nicht einmal sicher, dass er sich überhaupt hier befand.
    Als sich der Tag dem Ende neigte, musste sich Amoret eingestehen, dass sie keine andere Wahl hatte, als aufzugeben. Sie gab dem Kutscher die Anweisung, nach Hartford House zurückzukehren, und dieser ließ erleichtert die Zügel auf die Rücken der Pferde fallen.
    Als die Kutsche in die Drury Lane einbog, fiel Amorets Blick auf einen in Schwarz gekleideten Mann, der an einer Hauswand lehnte. Ihr Herz machte einen Sprung. Obwohl sie sein Gesicht nicht sehen konnte, wusste sie instinktiv, dass es Jeremy war.
    »Halt an, Robert!«, rief sie, sprang aus der Kutsche, kaum dass sie stand, und eilte zu ihm.
    Er stand mit geschlossenen Augen da, einen Arm an der Hauswand abgestützt, den anderen um den weißen Stab gekrampft. Amoret rief ihn leise an, doch er schien sie nicht zu hören. Erst als sie seinen Oberarm berührte, öffnete er die Augen und starrte sie mit leerem Blick an. Es dauerte eine Weile, bis sein Gesicht verriet, dass er sie erkannte.
    »Mylady, Ihr seid immer noch hier?«, murmelte er mit müder Stimme.
    »Ja. Ich sagte Euch doch, dass ich nicht ohne Euch gehe. Kommt mit mir! Ihr habt genug für die armen Menschen getan«, beschwor sie ihn.
    Er sah sie wehmütig an, und sie bemerkte, dass seine Augen blutunterlaufen waren. Sein Gesicht wirkte noch hohlwangiger und elender als vor ein paar Tagen, und auf seinen Lidern lagen bläuliche Schatten.
    »Amoret, meine süße Amoret«, sagte er, und seine Stimme klang geborsten. »Es ist zu spät! Ich habe die Pest!«
    Sie starrte ihn wortlos an, unfähig, zu begreifen. Dabei registrierte sie, dass sein dunkles Haar feucht von Schweiß war und an seinen Schläfen klebte. Ein schmerzvolles Zucken lief über seine Züge, und die Hand, die den Stab hielt, zitterte. Und da wurde ihr klar, dass er Recht hatte. Ihr Blut gerann zu Eis und formte einen Klumpen in ihrem Magen.
    »Nein«, rief sie kopfschüttelnd. »Das kann nicht sein!«
    »Doch, es ist so. Ich habe alle Krankheitszeichen. Quälende Kopfschmerzen, Schwindel, Schmerzen in Rücken und Gliedern. Ich fühle mich schwach wie ein Greis, und mein linkes Bein tut so weh, dass ich kaum laufen kann.«
    Amoret war noch immer zu fassungslos, um auch nur ein klares Wort zu äußern. In einem Reflex ergriff sie seinen Arm, wie um ihn zu stützen. Doch er zuckte unwillkürlich zurück und hob abwehrend die Hand.
    »Nein! Fasst mich nicht an!«, stieß er hervor. »Ihr müsst gehen! Verlasst die Stadt. Ihr könnt nichts mehr für mich tun.«
    »Ich kann Euch nicht hier lassen!«
    »Ihr werdet Euch

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