Die Richter des Königs (German Edition)
arbeiten.« Auf Jeremys fragenden Blick hin fügte er hinzu: »Ich bin schwerhörig. Die Folge eines Fiebers. Ihr hattet Glück, dass ich mich noch nicht weit von der Pestgrube entfernt hatte, sonst hätte ich Euch nicht gehört.« Er sagte dies mit einer gewissen Schicksalsergebenheit, die deutlich verriet, dass er sich mit der Tatsache abgefunden hatte. Jeremy hätte nicht sagen können, ob er den Verzicht auf eine juristische Laufbahn bedauerte oder ob ihn sein Dasein als wohlhabender Kaufmann nicht ebenso befriedigte.
Sie hatten inzwischen Charing Cross erreicht und bogen in den Strand ein. Jeremy warf einen verstohlenen Blick auf die dunklen Fenster von Hartford House, als sie daran vorübergingen. Für einen Moment brachten ihn seine Schmerzen und seine körperliche Schwäche in Versuchung, um Einlass zu bitten und sich von Amoret ein wenig umsorgen zu lassen, doch es war nur eine flüchtige Regung, die er sogleich unterdrückte. Er wusste nicht einmal, wo sich die Lady aufhielt, hoffte aber, dass sie inzwischen mit dem Hof die Stadt verlassen hatte. Doch selbst wenn sie zu Hause gewesen wäre, hätte er sie um nichts in der Welt in seinem jetzigen Zustand aufgesucht. Der Geruch der Pestleichen klebte wie ein Gift an ihm und hatte seinen Körper wahrscheinlich bereits infiziert. Er musste sich von gesunden Menschen fern halten, ganz besonders von Amoret.
Die Straßen waren wie ausgestorben. Auf dem Strand war ihnen nur vereinzelt ein Wachposten begegnet, der, sobald er des Friedensrichters ansichtig wurde, diesen sofort freundlich grüßte. Es war offensichtlich, dass Godfrey in Westminster sehr beliebt war.
An der Ecke zur Fleet Street hielt der Magistrat plötzlich inne. Aus einer Seitenstraße, der Middle Temple Lane, tauchten zwei düstere Gestalten auf und stellten sich ihnen in den Weg. Sie trugen schmutzige, abgerissene Kleidung und waren mit Knüppeln bewaffnet. Sicher stammten sie aus dem nahen Whitefriars-Bezirk, dem Refugium von Gaunern und Dieben.
»Bleibt hinter mir«, wies der Magistrat Jeremy an, während er seinen Degen zog.
Die beiden Kerle ließen sich durch den Anblick der Klinge nicht abschrecken, sondern wogen selbstbewusst ihre Knüttel in der Hand. Ihre Gesichter waren im Halbdunkel kaum zu sehen, doch Jeremy zweifelte nicht daran, dass sie Zeichen des Hungers und der Entbehrung aufwiesen, wie die aller Armen. Die Pest hielt auch in Whitefriars reiche Ernte.
»Aus dem Weg, Lumpengesindel!«, befahl Edmund Godfrey und richtete die Spitze seines Degens auf einen der sich nähernden Männer.
»Sobald Ihr Eure Wertsachen herausgegeben habt!«, drohte dieser unbeeindruckt.
»Ich warne euch zum letzten Mal!«, gab der Friedensrichter ebenso kaltblütig zurück.
Da sein Gegenüber jedoch keine Anstalten machte, sich zurückzuziehen, ging Godfrey ohne weitere Vorwarnung zum Angriff über. Ehe sich der Räuber versah, hatte der Magistrat ihm mit seinem Degen eine Wunde an der Hand beigebracht, in der er den Knüppel hielt. Er stieß einen Schmerzensschrei aus und begann zu fluchen.
»Will, mach sie fertig, die verdammten Hunde.«
Das ließ sich sein Kumpan nicht zweimal sagen. Mit Gebrüll hob er seinen Prügel und stürzte sich auf den Magistrat. Godfrey wich ihm flink aus und stieß gleichzeitig den hinter ihm stehenden Jeremy zur Seite. Der Räuber verfehlte sie beide, und bevor er seinen wilden Ansturm bremsen konnte, hatte der Friedensrichter seine ungeschützte Flanke mit der Degenspitze geritzt. Fluchend und zähneknirschend wandte sich der Angreifer um und blieb einen Moment unschlüssig stehen, doch als er sah, dass sein Komplize sich wieder gefangen hatte, hob er seinen Knüppel erneut und ging auf Godfrey los. Der andere folgte seinem Beispiel. Von zwei Seiten bedrängt, wehrte sich der Magistrat verbissen, parierte die Hiebe der Räuber und brachte ihnen oberflächliche Wunden bei. Doch er wusste, dass ein kräftiger Schlag mit dem schweren Prügel genügte, um ihn zu entwaffnen und außer Gefecht zu setzen. Ohne den Blick von dem Kampf zu wenden, trat Jeremy unter dem vorspringenden Giebel hervor, unter dem er Schutz gesucht hatte, und schrie lauthals um Hilfe. Inzwischen drängten die Straßenräuber Godfrey immer weiter gegen die Hauswand in seinem Rücken. Doch der Magistrat schien entschlossen, nicht nachzugeben. Grimmig setzte er sich gegen die Übermacht zur Wehr. Da gelang es einem der Angreifer schließlich, ihm mit einem Hieb den Degen aus der Hand zu schlagen. Die
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