Die Richter des Königs (German Edition)
bettelt.«
Die Eröffnung, dass sie sein Geheimnis kannte, ließ ihn gleichgültig. Es war nicht mehr wichtig. Mit Tränen in den Augen sah er, wie sie Amorets Mund öffnete und den nassen Stoff mit zwei Fingern tief in ihre Kehle schob, um den Tod zu beschleunigen. »Nein!«, schrie er wild, zerrte ein zweites Mal das Tuch von Amorets Gesicht und schleuderte es unter das Bett.
Ohne ein Wort wandte sich Gwyneth ihm zu und streckte die Arme nach ihm aus, um ihn zu packen. Von seinem Instinkt geleitet, griff Jeremy nach einer der Krücken, die hinter ihm an der Wand standen, und stieß sie der Apothekerfrau zwischen die Beine. Völlig überrascht verlor diese das Gleichgewicht und ging zu Boden. Im selben Moment raffte sich Jeremy auf, zog sich am Bettpfosten auf die Beine und stolperte an ihr vorbei zum Fenster. Alle Kraft zusammenraffend, riss er den Flügel auf und schrie um Hilfe, obgleich er wusste, dass es sinnlos war. Inzwischen hatte sich Gwyneth aufgerappelt und stürzte sich wutentbrannt auf ihn. Sie packte ihn an den Schultern, riss ihn vom Fenster weg und versetzte ihm einen Stoß, der ihn einige Schritte durch die Kammer taumeln ließ, bevor ihn der Schwung zu Boden riss. Er prallte gegen eine Truhe, und die Gegenstände, die darauf standen, regneten auf ihn nieder. Stöhnend vor Schmerzen, versuchte er, wieder auf die Beine zu kommen, doch seine Muskeln zitterten erbärmlich und konnten sein Gewicht nicht mehr tragen. Mit funkelnden Augen kam die Waliserin auf ihn zu. Jeremys rechte Hand tastete nach dem Kerzenständer, der von der Truhe gefallen war, umklammerte ihn und holte aus, um ihn ihr zwischen die Beine zu werfen. Doch sein Arm war zu schwach, und es gelang ihm nicht einmal mehr, sie zu treffen. Mit einem langen Schritt trat sie über die nutzlose Waffe und beugte sich über ihn. Ihre großen kräftigen Hände schlossen sich um seinen Hals und zogen ihn wie eine Strohpuppe hoch, schmetterten ihn gegen die Wand in seinem Rücken. Halb ohnmächtig spürte er noch, wie die Hände erbarmungslos seine Kehle zusammenpressten. In einem letzten schwachen Versuch, sich zu befreien, hob er die Arme und grub seine Fingernägel in ihre Haut. Doch der Druck ließ nicht nach, sondern wurde stärker, schmerzhafter … seine Kräfte schwanden … vor seinen Augen wechselten sich Licht und Dunkelheit ab … dann hörte er wie durch einen dichten Nebel jemanden rufen: »Lasst den Mann los! Lasst ihn sofort los, oder ich spieße Euch mit meinem Degen auf!«
Die Hände gaben seinen Hals frei. Sein Körper sank schlaff gegen die Wand, röchelnd rang er nach Luft, versuchte zu begreifen, was passiert war. Es dauerte einen Moment, bevor Jeremy in der Lage war, die Augen zu öffnen und zwischen den schwarzen Schleiern etwas zu erkennen. Ein Seufzer der Erleichterung entfuhr ihm, als er den Friedensrichter Edmund Godfrey vor sich hocken sah.
»Seid Ihr in Ordnung, Dr. Fauconer? Ich hörte Eure Hilferufe, als ich kam.«
Jeremy nickte schwach, dann hob er die Hand in die Richtung von Amorets Lager und stammelte: »Ist sie am Leben?«
Godfrey beugte sich betroffen über die Frau, die reglos dalag, und da er nicht erkennen konnte, ob sie noch atmete, nahm er kurzerhand seinen Hut ab, zupfte die Spitze einer der Federn aus, die ihn zierten, und hielt sie unter Amorets Nase. Zuerst passierte nichts, doch dann begann sich der leichte Flaum hin und her zu bewegen.
»Sie atmet«, bestätigte der Friedensrichter. »Ist sie an der Pest erkrankt?«
»Nein, sie wurde vergiftet!«, antwortete Jeremy schmerzlich. »Von dieser Frau hier.«
Gwyneth, die von dem hinter ihr stehenden Wächter am Arm festgehalten wurde, gab sich ruhig und gefasst: »Sir, das ist nicht wahr. Ich bin die Gattin des Apothekers Bloundel und wohne einige Häuser weiter. Dr. Fauconer hat oft Arzneien bei uns gekauft. Seit ich erfuhr, dass er die Pest hat, habe ich ab und zu Medizin vorbeigebracht. Heute hörte ich ihn schreien, und da ich glaubte, er brauche Hilfe, bin ich ins Haus gegangen und sah, wie er sich im Wahn aus dem Fenster stürzen wollte. Ich habe ihm nur den Hals zusammengedrückt, um ihn bewusstlos zu machen, damit er sich nicht selbst schaden konnte. Ihr wisst doch sicher, dass die Pestkranken manchmal den Verstand verlieren und sich umzubringen versuchen.«
Jeremy gab sich alle Mühe, sich trotz seiner bleiernen Schwäche zusammenzureißen. »Glaubt Ihr nicht, Master Godfrey. Sie ist die Juristenmörderin. Sie hat Baron Peckham, Sir
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