Die Richter des Königs (German Edition)
hinfälliges Wrack, dem es nicht einmal gelang, seinen ausgezehrten Körper ohne fremde Hilfe ins Bett zurückzuhieven. Verzweifelt suchte Jeremy nach einem Ausweg. Was konnte er tun? Um Hilfe rufen? Zwecklos! Seit Ausbruch der Pest hörte man ständig die unheimlichen Schreie der Pestkranken, die die Seuche um den Verstand gebracht hatte, aus den verschlossenen Häusern dringen. Niemand kümmerte sich mehr darum, man wechselte auf die andere Straßenseite und eilte so schnell wie möglich weiter. Der Wächter war sicher noch nicht zurück, aber selbst wenn, würde er es nicht wagen, ein Pesthaus zu betreten. Sie waren der Mörderin hilflos ausgeliefert! Er konnte nur versuchen, ein wenig Zeit zu gewinnen.
Gwyneth schickte sich an, um das Rollbett herumzukommen. Jeremy widerstand dem Impuls, vor ihr zurückzuweichen. Er durfte keine Angst zeigen, sonst hatte er verloren. Seine Stimme zur Ruhe zwingend, sagte er: »Ihr seid Jeffrey Edwards’ Mutter, nicht wahr?«
Die Worte zeigten Wirkung. Sie hielt in der Bewegung inne und maß den Mann, der im Nachthemd vor ihr auf dem Boden kauerte, mit einem Blick, der Bewunderung verriet.
»Ja, Jeffrey war mein einziger Sohn. Aber woher wisst Ihr das?«
»Ich habe es erraten. Ihr musstet ihm sehr nahe stehen, um diejenigen, die für seinen Tod verantwortlich sind, mit so viel Hass zu verfolgen. Habt Ihr seinen Prozess miterlebt?«
»Nein!«, stieß sie aufgebracht hervor. »Glaubt Ihr, ich hätte zugelassen, dass man ihn hängt? Ich war in meiner Heimatstadt in Wales, als ich von seiner Verurteilung erfuhr. Und ich beschloss, seinen ungerechten Tod zu rächen.«
Jeremy sah ihre Hände beben, als sich die tief in ihr aufgestaute Wut Bahn brach. Er musste sich ihre Erregung zunutze machen, um sie zum Weiterreden zu ermuntern. Sie war eine Mörderin, aber sie hatte nicht wahllos getötet, sondern um Vergeltung zu üben für eine Tat, die in ihren Augen ein Verbrechen war. Bisher hatte sie sich jedoch niemandem gegenüber rechtfertigen können. Der Drang, ihre Anklage hinauszuschreien, musste seit langem in ihr schwelen, und in diesem Moment bot sich ihr die einzige Gelegenheit, sich einem anderen mitzuteilen, ohne ihre Mission in Gefahr zu bringen, denn er würde nie darüber sprechen können. Außerdem hatte sie so raffiniert getötet, dass sie selbst Jeremy lange Zeit hatte täuschen können, aber es war ihr nie möglich gewesen, damit zu prahlen – bis jetzt. Sie konnte ihn nicht töten, bevor er nicht anerkannt hatte, dass sie ihm an Schlauheit überlegen war.
»Woher kanntet Ihr die Namen der Richter, die an dem Prozess beteiligt gewesen waren?«, fragte Jeremy, in der Hoffnung, dass sie den Köder schlucken würde.
Sie tat es. »Ein Freund meines Sohnes kam nach seinem Tod zurück nach Wales und brachte mir die Nachricht. Er konnte sich aber nur an den Namen des Vorsitzenden erinnern: Lord Chief Justice Sir Robert Foster. Ich war Witwe, es gab nichts, was mich in Wales hielt. Und so entschloss ich mich, nach London zu reisen. Unterwegs hörte ich, dass Lord Chief Justice Foster in den westlichen Grafschaften die Assisen abhielt. Ich reiste ihm nach. Es war leicht, in einem der Orte, in denen er Gericht hielt, eine Anstellung als Magd zu bekommen. Ich bediente ihn bei einem der üppigen Bankette, die für die Richter abgehalten wurden, und vergiftete seinen Wein. Es war so erschreckend einfach! Dann reiste ich weiter nach London. Dort lernte ich Meister Bloundel kennen. Ich erkannte schnell, wie vorteilhaft es für mich wäre, mit einem Apotheker verheiratet zu sein, und gab seinem Werben nach. Als ich erst seine Frau war, nutzte ich jede freie Stunde, um die anderen Schweinehunde aufzuspüren, die meinen Sohn rücksichtslos geopfert hatten. Ich beauftragte einen kleinen Dieb, Jack Einauge, mir die Namen der anderen Richter und der Ratsherren zu besorgen. Ich beobachtete sie, machte mich mit ihren Gewohnheiten vertraut. Sir Michael Rogers, der Vertreter der Anklage, war ebenfalls ein leichtes Ziel. Er trieb sich oft abends mit seinen Freunden herum und ritt dann allein nach Hause. Eines Nachts fing ich ihn auf der Fleet-Brücke ab und gab vor, seine Hilfe zu brauchen. Als er sich zu mir herabbeugte, riss ich ihn vom Pferd, schlug ihn mit einem Knüppel bewusstlos und warf ihn in den Fluss. Ich wusste genau, dass ich nur abzuwarten brauchte, bis sich mir die nächste Gelegenheit zum Zuschlagen bieten würde. Es dauerte einige Zeit, aber ich war geduldig. Als Baron
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