Die Richter des Königs (German Edition)
tatsächlich ein papistischer Priester. Weiß Sir Orlando davon?«
»Das müsst Ihr ihn schon selbst fragen«, antwortete der Jesuit ausweichend.
Godfrey lächelte anerkennend. »Eure Loyalität macht Euch Ehre. Ich bin kein Katholikenfeind. Einige meiner Freunde sind Katholiken. Und ich weiß auch, dass die Jesuiten besser sind als ihr Ruf. Darüber hinaus habt Ihr weiß Gott genug durchgemacht. Ihr habt es fertig gebracht, eine gefährliche Verbrecherin zu entlarven. Das ist weitaus wichtiger als religiöse Streitigkeiten. Ich danke Euch für Euren mutigen Einsatz, der Euch mehr als einmal beinahe das Leben gekostet hätte.«
Jeremy hatte sich aufgerafft und schleppte sich an Amorets Lager. »Bitte gebt mir den Krug und den Becher, die auf dem Tisch stehen. Auch wäre ich Euch dankbar, wenn Ihr den Totenkarren vorbeischicken könntet. Die Pflegerin liegt unten in der Küche. Sie wurde von Mistress Bloundel vergiftet. Außerdem muss Sir Henry Crowder gewarnt werden. Die Arzneien, die er von Meister Bloundel gekauft hat, enthalten Arsenik. Sie sind ein wichtiges Beweismittel gegen die Mörderin.«
»Ich kümmere mich darum«, versicherte der Magistrat, während er ihm Krug und Becher reichte. »Ich schicke Euch eine neue Pflegerin, eine, die zuverlässig und vertrauenswürdig ist und nicht versuchen wird, Euch auszunehmen. Wenn Ihr sonst noch etwas braucht, zögert nicht, mir Bescheid zu geben.«
»Vielen Dank für alles, Sir! Das werde ich Euch nie vergessen«, sagte Jeremy herzlich.
Als Godfrey gegangen war, füllte er den Becher mit Wein und hielt ihn an Amorets Lippen. Sie öffnete die Augen und schenkte ihm ein schwaches Lächeln.
Neunundvierzigstes Kapitel
D ie Stadt wirkte wie ausgestorben. Als Alan den Bogen des Aldersgate durchquert hatte, zügelte er erschüttert sein Pferd. Man sah so gut wie keine Fußgänger auf den Straßen. Die Häuserfronten zeigten nur verbarrikadierte Fenster, und manche Türen waren mit einem verblichenen roten Kreuz gezeichnet. Sprachlos wandte Alan sich zu seinem Begleiter um, der sein Pferd neben ihm zum Stehen brachte. Sie wechselten einen betretenen Blick, bevor sie ihren Weg auf der St. Martin’s Lane fortsetzten. Überall wuchs Gras zwischen den Pflastersteinen, frische grüne Halme, die kein Fuß, kein Huf zertrat. Die Stille war gespenstisch. Keine Kirchenglocke läutete mehr für die Toten, die unzählbar geworden waren. Und immer wieder erhoben sich vor den zurückkehrenden Reisenden die erschreckenden Zeichen des großen Sterbens: die hoch aufgeworfenen Hügel der Kirchhöfe, die die große Anzahl der Toten nicht mehr fassen konnten.
Alans Stimmung verdüsterte sich zunehmend, je näher er der Paternoster Row kam. Und als er das rote Kreuz an seiner eigenen Haustür sah, verspürte er einen dumpfen Schmerz in der Magengegend, als habe er einen Faustschlag erhalten. Eilig glitt er aus dem Sattel und versuchte die Tür zu öffnen, doch sie war versperrt. Verzweifelt hämmerte er gegen das Holz. »Jeremy! Jeremy! Mistress Brewster! John! Antwortet doch!«
Aber es rührte sich nichts. Keuchend trat Alan einen Schritt zurück und blickte zu den Fenstern hinauf. Die Läden waren von innen verschlossen.
»Sir«, sagte sein Begleiter eindringlich, »lasst uns zu Hartford House reiten. Dort wird man wissen, was aus ihnen geworden ist.«
Alan sah ihn Hilfe suchend an. Er war einer von Lady St. Clairs Dienern und hatte ihm die ganze Reise über die Treue gehalten. Sicher hatte er Recht. Die Lady hatte vermutlich einige Dienstboten in ihrem Haus zurückgelassen, um es zu bewachen. Vielleicht hatten sie etwas gehört.
»Ja, William, das wird das Beste sein«, stimmte Alan zu und bestieg wieder sein Pferd.
Nachdem sie das Ludgate passiert hatten, bogen sie in die Fleet Street ein. Jedes zweite Haus war mit einem Kreuz versehen. Vereinzelt stand ein Wächter davor, doch die meisten Häuser waren verlassen. Es war jetzt Mitte Oktober. Alan war schockiert, wie sich die lebendige Stadt seiner Erinnerung innerhalb weniger Monate in eine Geisterstadt hatte verwandeln können. An der Abzweigung zum Strand waren die beiden Reiter plötzlich von zerlumpten Gestalten umringt, denen der Hunger aus den Augen sah. Alan warf ihnen den Rest ihres Reiseproviants zu, und als die Bettler sich darauf stürzten, trieben sie eilig ihre Pferde zum Galopp und hielten erst an, als sie den Hof von Hartford House erreicht hatten. Zu ihrer Überraschung wurden sie sogleich von einem
Weitere Kostenlose Bücher