Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Richter des Königs (German Edition)

Die Richter des Königs (German Edition)

Titel: Die Richter des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
Vom Netzwerk:
gesamten Verkehr für eine halbe Stunde zum Stillstand bringen. Offenbar hatte ein derartiger Streit um die Vorfahrt auf der Straße vor Alan gerade begonnen, denn inmitten einer fluchenden und brüllenden Menge ging es weder vorwärts noch rückwärts. Alan entschied sich, nach rechts in die Shoe Lane einzubiegen, um so das Hindernis zu umgehen. Gemeinhin war ihm der Aufenthalt in einer Menschenmenge nicht allzu unangenehm, da er aufgrund seiner Größe einen gewissen Überblick behielt, aber an diesem Tag drängte ihn ein undefinierbares Gefühl, zu den anderen Passanten Abstand zu halten.
    In der Shoe Lane herrschte kaum Verkehr. Die Handwerker und Händler hatten die Läden zugeklappt und die Türen verschlossen. Ab und zu eilte ein Lehrling vorbei, der noch eine letzte Besorgung erledigt hatte. Alan orientierte sich an den erleuchteten Fenstern der Häuser, an denen er entlangging, erleichtert, endlich zügiger voranzukommen.
    Was mochte nur der Grund für Jeremys Nachricht sein? Er hoffte inständig, dass dem Richter nichts zugestoßen war und dass es sich nur um eine Lappalie handelte. Doch in diesem Fall hätte sein Freund es sicher nicht nötig gehabt, nach ihm zu schicken, sondern wäre allein mit der Angelegenheit fertig geworden.
    Mit einem Mal hielt Alan im Schritt inne und wandte sich um. Trotz des feinen Nebels erkannte er etwa hundert Yards hinter sich die Umrisse einer Gestalt, die in einen weiten Kapuzenmantel gehüllt war und sich in dieselbe Richtung bewegte wie er. Es gab keinen Grund zu der Annahme, dass es sich bei dem Passanten um etwas anderes handelte als einen unbescholtenen Bürger auf dem Heimweg, und doch verspürte Alan einen unangenehmen Schauer. Unschlüssig blieb er stehen und beobachtete den unförmigen Schatten, der sich ihm durch die zunehmende Dunkelheit näherte. Alan wollte sich gerade wieder in Bewegung setzen, als der Unbekannte seine Schritte verlangsamte und schließlich anhielt.
    Alan biss die Zähne zusammen. Die Situation war ihm nicht geheuer. Man hörte zu oft von abendlichen Spaziergängern, die von Straßenräubern überfallen und zusammengeschlagen worden waren, und er befürchtete, dass ihm an diesem Tag dasselbe Schicksal drohte, wenn es ihm nicht gelang, seinen Verfolger abzuschütteln. Denn inzwischen war er sicher, dass der Fremde es auf ihn abgesehen hatte.
    Alan ließ aufmerksam den Blick schweifen, auf der Suche nach der Laterne eines Nachtwächters oder der Fackel eines Lichtträgers, die gewöhnlich an jeder Straßenecke ihre Dienste anboten. Doch die Gasse vor ihm war menschenleer. Er hatte keine andere Wahl, als weiterzugehen und zu hoffen, dass die nächste Kreuzung belebter sein würde. Während Alan zügig ausschritt, tastete er nach dem Lederfutteral, in dem seine Chirurgeninstrumente untergebracht waren, und zog ein schmales Messer mit einer scharfen Klinge heraus. Wenn es zum Schlimmsten kam, konnte er zumindest den Versuch machen, sich zu verteidigen.
    Der Nebel wurde dichter und dichter. Als Alan sich das nächste Mal umwandte, konnte er die Gestalt zwischen den milchigen Schwaden nicht mehr erkennen. Wieder hielt er inne und versuchte, die Gefahr abzuschätzen, in der er sich befand. Vielleicht war sein Verfolger nicht allein. Straßenräuber arbeiteten oft in Banden oder doch zumindest zu zweit. Je mehr Zeit verstrich, umso unwohler begann sich Alan zu fühlen. Angestrengt lauschte er hinter sich, doch der Nebel verschluckte jegliches Geräusch. Es war zum Verzweifeln. Der Unbekannte konnte sich ihm bis auf wenige Schritte nähern, ohne dass er ihn bemerken würde. Alans anfängliche Unruhe wich mehr und mehr bohrender Angst. Zögernd ging er weiter, wandte sich dabei aber ständig um. Schließlich fasste er den Entschluss, die nächste Straßenecke als Deckung zu benutzen und dort abzuwarten, bis der Fremde ihn überholte. Die Finger der rechten Hand um den Messergriff gekrampft, drückte sich Alan gegen die Hauswand und starrte in die von undurchdringlichem Nebel erfüllte Shoe Lane. Angestrengt versuchte er, seine schnelle Atmung zu beruhigen, um seine Anwesenheit nicht zu verraten, doch es gelang ihm nicht.
    Im Grunde bin ich ein Feigling, dachte Alan. In diesem Moment hätte er alles dafür gegeben, Breandán bei sich zu haben.
    Sein Haar fiel ihm in feuchten Strähnen ins Gesicht. Er wusste nicht, ob es der Nebel oder sein Angstschweiß war, der es an seiner Stirn kleben ließ, und versuchte, nicht darüber nachzudenken.
    Die Wartezeit

Weitere Kostenlose Bücher