Die Riesen vom Ganymed
Es gab nichts, was er ihnen hätte sagen können.
Er gelangte zur höchsten Erhebung der Rampe, stieg durch die geöffnete Luftschleuse und durchschritt den dahinterliegenden langen Raum, um den Fahrstuhl zu betreten, den ihm ZORAC reserviert hatte. Wenige Augenblicke später wurde er mit großer Geschwindigkeit hinauf in den Rumpf der Shapieron befördert.
Er trat in einer Höhe von einhundertsechzig Metern über dem Erdboden aus dem Fahrstuhl und folgte einem kurzen Gang bis hin zu einer Tür, die ihn in seine Privaträume führte. Shilohin, Monchar und Jassilane erwarteten ihn, und ein jeder von ihnen hatte eine andere sitzende Position im Raum eingenommen. Einen Moment lang blickte er auf sie herab, während sich die Tür geräuschlos hinter ihm schloß. Monchar und Jassilane blickten einander unbehaglich an. Nur Shilohin hielt Garuths Blick stand, blieb dabei jedoch stumm. Garuth stieß einen langen Seufzer aus und bewegte sich dann langsamen Schritts in ihre Mitte. Einen Moment lang musterte er die metallene Tapete, welche die ihnen abgewandte Wand verzierte. Dann wandte er sich um und sah sie erneut voll an. Shilohin beobachtete ihn noch immer.
»Ihr seid immer noch nicht davon überzeugt, daß wir aufbrechen müssen«, sagte er schließlich.
Diese Bemerkung war überflüssig, aber irgend jemand mußte einfach etwas sagen. Eine Antwort erwies sich als ebenso unnötig.
Die Wissenschaftlerin wandte ihren Blick ab und sagte dann, als spräche sie zu dem niedrigen Tisch, der sich zwischen ihr und den anderen beiden befand: »Es ist die Art und Weise, wie wir umherreisen. Ohne Fragen zu stellen, wurde dir die ganze Zeit über vertraut. Über all diese Jahre hinweg... den gesamten Weg von Iscaris her... Du...«
»Einen Augenblick.« Garuth ging hinüber zu einer kleinen Schaltkonsole, die sich in der Wand dicht bei der Tür befand. »Ich glaube nicht, daß wir diese Unterhaltung hier aufzeichnen sollten.« Er legte einen Schalter um und trennte damit die Verbindung des Raumes zu ZORAC und damit natürlich auch zu den Archiven des Schiffes.
»Du weißt ganz genau, daß es keine ganymedische Zivilisation gibt, die auf dem Stern der Riesen oder irgendwo sonst auf uns wartet«, fuhr Shilohin fort. Ihre Stimme klang dabei so vorwurfsvoll wie es einem Ganymeder überhaupt möglich war. »Wir sind x-mal die lunarischen Dokumente durchgegangen. Es kommt nichts dabei heraus. Du führst unser Volk hinweg und in den Tod, irgendwo dort draußen, inmitten der Sterne. Es wird keine Rückkehr geben. Aber du läßt es zu, daß sie an Hirngespinste glauben, damit sie dir dorthin folgen, wohin du sie führst. Das sind eindeutig Methoden, deren sich die Erdbewohner bedienen, nicht jedoch Ganymeder.«
»Sie boten uns ihre Welt als Heimat an«, murmelte Jas-
silane und schüttelte den Kopf. »Zwanzig Jahre lang hat unser Volk nur von der Heimkehr geträumt. Und jetzt, da es eine Heimat gefunden hat, willst du es erneut in den leeren Raum hinausführen. Minerva ist vergangen – nichts, was in unserer Macht steht, wird daran etwas ändern können. Aber durch eine Laune des Schicksals haben wir ein neues Zuhause gefunden – hier. Das wird kein zweites Mal vorkommen.«
Plötzlich fühlte sich Garuth sehr müde. Er sank auf den freien Stuhl bei der Tür und blickte auf die drei ernsten Gesichter, die ihm nicht auswichen. Es gab nichts, was er dem hätte hinzufügen können, was nicht bereits ausgesprochen worden war. Ja, es stimmte alles. Die Bewohner der Erde hatten sein Volk begrüßt, als handle es sich um langver-mißte Brüder. Sie hatten ihnen alles angeboten, was sie besaßen. Aber in den sechs Monaten, die inzwischen vergangen waren, hatte Garuth einen tiefen Blick hinter die Kulis-sen geworfen. Er hatte geprüft, er hatte zugehört, er hatte beobachtet, er hatte gesehen.
»Heute empfangen uns die Erdbewohner mit offenen Armen«, sagte er. »In mancherlei Hinsicht sind sie jedoch noch Kinder. Sie zeigen uns ihre Welt in der Art eines Kindes, das einem Freund seine Spielkiste öffnet. Aber ein Spielkamerad, der ab und zu mal vorbeikommt, ist eine Sache – einer, der einzieht und im gleichen Hause wohnen bleibt, mit den gleichen Eigentumsrechten an der Spielkiste, ist eine ganz andere Sache.«
Garuth sah, daß seine Zuhörer überzeugt werden wollten, um zu der gleichen festen Überzeugung von der Richtigkeit der Anschauung zu gelangen, die er darüber besaß, aber es gelang ihnen nicht – im Gegensatz zu früher, wo
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