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Die Riesen vom Ganymed

Die Riesen vom Ganymed

Titel: Die Riesen vom Ganymed Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James P. Hogan
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die Anzahl der Pflanzenfresser im Rahmen? Ich kann keinerlei Mechanismus zur Aufrechterhaltung eines natürlichen Gleichgewichts erkennen.«
    »Ich wollte soeben darauf zu sprechen kommen«, antwortete Shilohin. »Die Antwort lautet: Unfälle. Sogar leichte Schnittwunden oder Abschürfungen ermöglichten es dem Gift, vom zweiten in das erste System zu gelangen.
    Die meisten Unfälle gingen für die Tiere Minervas folgenschwer aus. Die natürliche Auslese begünstigte natürlichen Schutz. Die Arten, welche überlebten und aufblühten, verfügten über den besten Schutz – lederartige Außenhaut, dicker Pelzbesatz, schuppenartige Panzerung und so weiter.« Sie hob eine ihrer Hände und zeigte dabei stark ausgeprägte Fingernägel und Gelenkwülste, schob anschlie-
    ßend ihren Hemdkragen leicht zur Seite und legte dabei einen Teil der feinen, überlappenden Schuppenplatten frei, die einen Streifen entlang ihrer Schulterspitze bildete.
    »Viele Überbleibsel des Schutzes der Ahnen können auch heute noch an der Gestalt eines Ganymeders festgestellt werden.«
    Hunt erkannte nunmehr, warum das Temperament der Ganymeder so war wie es war. Aus den Anfängen, die Shilohin soeben beschrieben hatte, hatte sich intelligentes Leben entwickelt, aber nicht als Antwort auf irgendwelche Bedürfnisse zur Herstellung von Waffen oder zum Überli-sten von Feinden oder von Beute, sondern als ein Mittel zum Erkennen und Vermeiden von körperlichen Beschädi-gungen. Lernen und Wissensvermittlung mußten für die primitiven Ganymeder einen phänomenalen Wert fürs Überleben dargestellt haben. Vorsicht in allen Dingen, Klugheit und die Fähigkeit zur Analyse aller nur möglichen Konsequenzen einer Handlung waren von der Auslese verstärkt worden; Hast und Unbesonnenheit hätten sich als folgenschwer erwiesen.
    Da sie von solchen Vorfahren abstammten – konnten sie da anders als instinktiv kooperationsbereit und nichtaggres-siv sein? Gewaltsame Konkurrenz in welcher Form auch immer oder die Machtausübung gegenüber einem Rivalen mußte ihnen einfach unbekannt sein. Von daher trugen sie keinerlei Anzeichen von komplexen Verhaltensmustern, die in einer späteren und zivilisierteren Gesellschaft ›nor-malerweise‹ in Form von symbolischen Ausdrücken beste-

    hen blieben. Hunt fragte sich, was ›normal‹ eigentlich bedeutete. Shilohin lieferte eine Definition vom ganymedischen Standpunkt aus gesehen, als könne sie Gedanken lesen.
    »Sie können sich vorstellen, wie die frühen ganymedischen Philosophen über die Welt dachten, die sie um sich herum wahrnahmen, als sich die Zivilisation schließlich zu entwickeln begann. Sie drückten ihre Verwunderung dar-
    über aus, wie die Natur in ihrer unendlichen Weisheit allen Lebewesen eine strenge Ordnung auferlegt hatte: Der Boden nährte die Pflanzen, und die Pflanzen ernährten die Tiere. Die Ganymeder akzeptierten dies als die natürliche Ordnung des Universums.«
    »Wie ein von Gott verordneter Plan«, meinte jemand in der Nähe der Theke. »Sieht mir nach einer religiösen Überzeugung aus.«
    »Sie haben recht«, pflichtete ihm Shilohin bei und wandte sich zu dem Sprecher um. »In der Frühgeschichte unserer Zivilisation waren religiöse Vorstellungen weit verbreitet. Bevor wissenschaftliche Prinzipien eingehender verstanden wurden, schrieb unser Volk viele der Geheimnisse, die sie sich nicht erklären konnten, den Fähigkeiten einer allmächtigen Institution zu... Ihrem Gott nicht unähnlich. Die frühen Lehren besagten, daß die natürliche Ordnung der Lebewesen der letztendliche Ausdruck seiner lei-tenden Weisheit sei... ich glaube, Sie würden das den
    ›Willen Gottes‹ nennen.«
    »Mit Ausnahme des Tiefseebereiches«, bemerkte Hunt.
    »Doch, das paßte ebenfalls in ihr Denkschema«, antwortete Shilohin. »Die frühen religiösen Denker unserer Rasse sahen darin eine Form von Bestrafung. In den Ozea-

    nen, lange vor dem Beginn der Geschichte, war dem Gesetz getrotzt worden. Als Strafe dafür waren die Gesetzes-brecher für immer in die tiefsten und dunkelsten Stellen des Ozeans verbannt worden und stiegen niemals empor, um das Sonnenlicht zu genießen.«
    Danchekker beugte sich zu Hunt und flüsterte: »Wie die Vertreibung aus dem Paradies. Eine interessante Parallele, meinen Sie nicht auch?«
    »Mmm... ja... statt eines Apfels handelte es sich dabei um ein T-bone-Steak«, murmelte Hunt.
    Shilohin hielt inne, um ihr Glas über die Theke zu schieben, damit es der Steward neu

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