Die Riesen vom Ganymed
Verfahren zu erleichtern, war ZORAC mit dem Informationssystem der Erde gekop-
pelt worden, und auf diese Weise wurde ein großangelegter Austausch an akkumuliertem Wissen der beiden Zivilisa-tionen möglich.
Am interessantesten zu beobachten waren die Reaktionen der ganymedischen Kinder. Sie waren an Bord der Shapieron während ihrer heroischen Rückreise von Iscaris geboren worden, hatten niemals einen blauen Himmel, eine Landschaft oder einen Berg gesehen, hatten niemals natürliche Luft eingeatmet und hatten sich nie zuvor einen Begriff davon machen können, ihr Schiff ohne irgendwelche Schutzvorkehrungen zu verlassen. Für sie war dieses Nichts ohne Leben zwischen den Sternen die einzig real existierende Umgebung gewesen.
Zuerst schreckten viele von ihnen allein vor dem Verlassen des Schiffes zurück, ängstlich auf die Konsequenzen bedacht, die ihnen ihr Leben lang eingetrichtert worden waren und die sie als unumstößliche Wahrheiten aner-kannten, ohne sie zu hinterfragen. Als sich schließlich ein paar der selbstsichersten und abenteuerlustigsten Kinder vorsichtig an die Türen am Scheitelpunkt der Rampen schlichen und hinauslugten, sperrten sie ungläubig und verwirrt Mund und Nase auf. Aus dem, was ihnen die Älteren und ZORAC erzählt hatten, besaßen sie eine ungefähre Vorstellung von Planeten und Welten – es waren Orte, größer als die Shapieron , so groß, daß man auf ihnen und nicht in ihnen leben konnte. Obwohl sie über solche Informationen verfügten, war ihnen dennoch niemals klar gewesen, was dies in Wirklichkeit bedeutete. Und dann waren sie nach Ganymed gekommen; Hmm – offenbar sah so ein Planet aus!
Und dann das hier! Hunderte von Menschen draußen vor dem Schiff, die hemdsärmelig herumliefen... wie war das nur möglich? Wie konnten sie atmen, und warum zerplatz-ten sie nicht aufgrund von Dekompression? Es hatte gehei-
ßen, daß der Raum allgegenwärtig sei, hier war er es jedoch keinesfalls. Was war aus ihm geworden? Wieso teilte sich das Universum plötzlich in zwei Hälften – ›oben‹ und
›unten‹? Worte, die innerhalb des Schiffes keinerlei Sinn ergaben? Warum war unten alles grün? Wer mochte dies nur in derartigen Größenordnungen erschaffen haben, und warum war alles in solch merkwürdigen Formen gemacht worden, die sich vor einem erstreckten, so weit das Auge nur blicken konnte? Warum war oben alles blau, und warum waren keinerlei Sterne zu sehen? Wo kam nur das gesamte Licht her?
Schließlich, nachdem alle Überredungskünste eingesetzt worden waren, wagten sie sich die Rampen herab und auf den Boden. Dort lauerte nichts Schreckliches auf sie. Bald hatten sie sich beruhigt und begannen mit der Erforschung ihrer neuen und wunderbaren Umgebung. Der Beton am Fuße der Rampen, das Gras dahinter, die hölzernen Wände der Hütten – dies alles war neu, und ein jedes strahlte seine eigene Faszination aus. Aber der verblüffendste Anblick war das, was sich auf der anderen Seite des Schiffes in scheinbar unendliche Weiten erstreckte – mehr Wasser, als es ihrer Meinung nach im gesamten Universum jemals hätte geben können.
Es dauerte nicht lange, und sie tollten und lärmten in überschäumender Freiheit, die alle ihre bisherigen Erfahrungen übertraf. Die Freude erreichte ihren Höhepunkt, als mit Polizeibooten Vergnügungsfahrten für sie organisiert wurden, entlang des Seeufers, hinaus in die Mitte des Gen-
fer Sees und wieder zurück. Es wurde bald offenkundig, daß nur die Erwachsenen und ihre Sorgen sich gegen ein dauerhaftes Niederlassen auf der Erde sperrten – die Kinder hatten in dieser Frage eine eindeutige Entscheidung gefällt.
Zwei Tage nach der Landung genoß Hunt gerade eine Kaf-feepause in der Caféteria in Ganyville, als ihm ein leises Summen seiner Handgelenkseinheit ein Gespräch ankündigte. Er berührte einen Knopf und aktivierte das Gerät, und ZORACs Stimme informierte ihn ohne Umschweife:
»Das Koordinationsbüro im Verwaltungsblock versucht dich zu erreichen. Nimmst du den Anruf entgegen?«
»Gerne.«
»Dr. Hunt?« Die Stimme klang jung und irgendwie aufregend.
»Das bin ich«, bestätigte er.
»Hier ist das Koordinationsbüro. Es tut mir leid, wenn ich Sie störe, aber könnten Sie mal rüberkommen? Wir könnten ihre Hilfe bei einer Angelegenheit gebrauchen.«
»Nicht bevor Sie mir versprechen, mich zu heiraten.«
Seine Stimmung war entsprechend. Vielleicht lag es daran, daß er für so lange Zeit fort gewesen war.
»Wie
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