Die Ringe der Macht
inzwischen schon eine beachtliche Sammlung von bestem Knaster. Es gab einfach nichts Schöneres, als nach getaner Arbeit am Kamin zu sitzen und sich ein Pfeifchen schmecken zu lassen, während man das Züngeln der Flammen beobachtete.
»Noch jemand ’n Bier?«, fragte Burin und erhob sich, aber sowohl Fabian als auch Kim winkten träge ab.
Marina hatte sich zurückgezogen und war zu Bett gegangen. Kim wusste genau, dass sie in dieser Nacht kaum Schlaf finden würde; zu sehr freute sie sich auf all den Klatsch, den sie am nächsten Tag würde verbreiten können.
Doch Kim hatte schon mehrmals im Zentrum der Mutmaßungen und Gerüchte in Aldswick gestanden; er würde es auch diesmal überstehen. Und wenn Marina zudem erzählte, dass der Prinz des Imperiums unerkannt als Gast bei ihm weilte, würde das seinem Ansehen womöglich eher nützen als schaden.
Tief sog er den Rauch ein und genoss den Abend, der ihn an die unbeschwerte Zeit seines Studiums erinnerte. Auch Burin und Fabian schienen ähnlichen Gedanken nachzuhängen.
»Welch ein Abend«, meinte Fabian. »Das ist es, was ich im letzten Jahr am meisten vermisst habe. Ein Abend ohne den lästigen Pomp, die ständigen Intrigen um Posten und Pöstchen, ohne langweiliges Daherreden mit Abgesandten und Botschaftern. Endlich einmal wieder nur unter Freunden sein.«
»Nun tu mal nicht so, als hättest du keinen Spaß daran, Botschafter an der Nase herumzuführen, Intriganten gegeneinander auszuspielen oder den Hofdamen bei Empfängen schöne Augen zu machen«, entgegnete der Zwerg. »Du hast doch Sinn für derartige Belustigungen. Ihr Menschen habt manchmal einen seltsamen Humor!«
»Den haben sie«, meinte Kim. »Ich kann mich noch gut erinnern, als Fabian den Gesandten …«
»Weißt du, Bubu, wie sich das anhört?«, unterbrach Fabian seinen Freund.
»Wie meinen?«, brummte der Zwerg und nuckelte in Erwartung einer Antwort an seiner Pfeife.
»Als wären wir verdammt alte Männer, die nur noch von der Vergangenheit leben«, erklärte Fabian.
»Wir sind nicht alt; nur hat jeder inzwischen Aufgaben und Pflichten, die uns keine Zeit mehr für solche Späße lassen«, sagte Kim. »Das bedeutet aber nicht, dass unser Leben zu Ende wäre. Erst wenn wir unsere Pflichten ablegen und dann feststellen, dass nur noch die Erinnerung bleibt und sonst nichts, dann sind wir alt. Wir werden Greise, wenn wir keine Aufgaben mehr finden – ob aus freiem Willen übernommen oder vom Schicksal auferlegt.«
»Du hättest auf die philosophische Akademie gehen sollen, Kim«, meinte Fabian. »An dir hätten sie dort ihre Freude gehabt.«
»Dafür bin ich nicht geeignet. Ein Philosoph hätte für das, was ich eben gesagt habe, mindestens eine halbe Stunde gebraucht«, erklärte Kim, der eine Abneigung gegen jede Art von weitschweifigen Theoretikern besaß.
»Und sage das mal an der Philosophischen Fakultät, und sie werden dich drei Tage lang nicht mehr gehen lassen, und in dieser Zeit werden sie dir zu erklären versuchen, warum die Gegensätze, die du siehst, in Wirklichkeit gar keine sind, sondern ein und dasselbe, was aber kein gewöhnlicher Denker, sondern eben nur ein Philosoph zu erkennen vermag«, erklärte Fabian und holte Luft.
»Darum hatte ich auch immer meine Axt dabei, wenn ich Schriften einsehen wollte«, brummte Burin. »Diesem Doppelargument ist kein Philosoph gewachsen.«
»Ich glaube, ich werde bald zu Bett gehen«, meinte der Prinz ächzend. »Dann können wir morgen früh mit dem Studium der Schriften anfangen.«
»Aber doch hoffentlich nicht schon bei Morgengrauen?«, fragte Kim.
»Nein, nein! Als Prinz kommt man doch selten vor der Mittagsstunde aus den Federn«, sagte Burin, um seinen Freund ein wenig zu foppen.
»Sei lieb, Dicker«, entgegnete Fabian. »Ich denke, wir sollten erst mal ausschlafen. Mit klarem und wachem Kopf studiert’s sich besser.«
»Wir werden doch alt«, murmelte Burin. »Das hat sich früher anders angehört.«
»Aber bevor wir uns schlafen legen, werden wir erst noch dieses gute Kraut zu Ende schmauchen.«
Gerade wollte Kim die Pfeife wieder ansetzen, als heftig an die Vordertür gepocht wurde.
»Aufmachen!«, drang gedämpft eine Stimme durch die Halle in die Bibliothek.
Kim hatte die Stimme sofort erkannt und war schon auf dem Weg zur Tür, als Fabian und Burin sich an seine Fersen hefteten.
»Wer ist das? So spät am Abend …«, brummte der Zwerg.
»Das ist mein Mentor und Freund Magister Adrion Lerch, mein Vorgänger
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