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Die Ringe der Macht

Die Ringe der Macht

Titel: Die Ringe der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst von Allwörden , Helmut W. Pesch
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ihm die Atemluft in den Lungen stach. Jede Bewegung wurde zur Mühsal, und er merkte, dass er an Geschwindigkeit verlor. Gleichzeitig wurde das Geräusch der durch das Unterholz brechenden Verfolger lauter.
    Wo war der Fluss? Für einen Augenblick überkam ihn die Angst, dass er gar nicht darauf zulief, aber die Richtung stimmte; deutlich konnte er das Wasser riechen, das Rauschen der Strömung vernehmen. Ja, er konnte es schaffen! Vielleicht …
    Diese Einsicht verlieh ihm noch einmal die Kraft, seine Schritte zu beschleunigen. Er flog förmlich durch das Unterholz. Schon konnte er Weiden und Pappeln erkennen, die gerne nahe am Fluss wuchsen. Das Strauchwerk wurde dünner, der Boden sandiger.
    Ein letztes Mal holte er alles aus sich heraus. Und trotzdem kamen seine Verfolger näher.
    Schilf tauchte vor Gilfalas auf. Endlich! Der Fluss!
    Der Elbe durchbrach den Schilfgürtel, nahm einen letzten tiefen Atemzug und warf sich vorwärts! Er spürte noch, wie etwas seine Schulter streifte, eine feurige Spur hinterlassend. Dann schlugen die eisigen Fluten über ihm zusammen. Er schwamm unter Wasser, spürte, wie sich Arme und Beine zu verkrampfen drohten.
    Todesfurcht griff mit klammen Fingern nach seinem Herzen: die Angst, von Krämpfen geschüttelt, jämmerlich in einem kleinen Fluss zu ertrinken. Doch er hatte Glück, die Muskeln schmerzten zwar, aber sie blieben geschmeidig.
    Gilfalas tauchte erst auf, als er glaubte, seine Lungen müssten platzen. Er durchstieß die Oberfläche und sog gierig die Luft ein. Dann warf er einen Blick zurück zum Ufer. Deutlich konnte er die Bolgs am Rande des Schilfs erkennen, dunkle, massive Schattengestalten im hüfthohen Wasser. Ihre Oberkörper pendelten suchend hin und her, nach rechts und links und wieder zurück, und wenn ihre schweifenden Blicke in seine Richtung irrten, dann glaubte er ein Blinken von Hass in ihren stumpfen Augen zu lesen. Aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein.
    Die letzten Sterne waren nun erloschen; der Himmel lag wie eine riesige nachtschwarze Decke über dem Land. Der Fluss hatte, angeschwollen durch die Regenfälle der letzten Tage, Gezweig und Baumstrünke mit sich gerissen und auch das eine oder andere Kleingetier, und Gilfalas bemühte sich, eins zu werden mit dem Treibgut. Über dem Rauschen des Flusses und dem Pochen des Blutes in seinen Ohren konnte er nicht hören, ob die Bolgs sich unterhielten – sofern sie überhaupt dazu imstande waren. Schließlich wandten sich beide um und stapften durch das flache Wasser zum Ufer hinauf, um ihre Kameraden zu holen.
    Gilfalas schwamm noch einige Züge, um in die Mitte des Flusses zu gelangen, wo ihn die Strömung davontragen konnte. Er versuchte sich die Karte Elderlands in Erinnerung zu rufen. Nach fast zwei Tagen auf der Flucht vor den Dunkelelben und deren Soldaten konnte er beim besten Willen nicht mehr sagen, wo er war. Nur eines wusste er: Der Fluss musste der Elder sein. Aber befand er sich südlich oder nördlich von dem Punkt, wo dieser sich mit dem zweiten Hauptfluss des Landes, dem Ander, vereinigte? Er wusste es nicht. Doch wenn er an Land gehen würde, dann nur am Ostufer. Dort würde er sich dann entscheiden müssen, in welche Richtung es weitergehen sollte.
    Das Schwert an seinem Gürtel zog ihn nach unten, und Gilfalas spürte, wie seine Kräfte erlahmten. Lange würde er es in dem kalten Wasser nicht mehr aushalten können. So entschloss er sich, die relative Sicherheit des Wassers gegen das ungeschützte, aber trockene Ufer einzutauschen.
    Als er wieder festen Boden unter den Füßen fand, hatte ihn die Strömung ein gutes Stück flussabwärts getragen. Mit Mühe schleppte sich Gilfalas das sandige Ufer hinauf und ließ sich der Länge nach zu Boden fallen. Er hätte endlos lange so liegen bleiben können. Doch er durfte nicht einschlafen. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen.
    Erschöpft wie er war, kroch Gilfalas mit letzter Kraft vom Strand weg, wo ihn die scharfen Augen seiner dunklen Brüder bald ausgemacht haben würden, auf ein Gebüsch zu, das Deckung versprach. Dort blieb er liegen und holte schnaufend Luft. Die Müdigkeit übermannte ihn, und er merkte, dass der Schlaf bald sein Recht fordern würde.
    Kurz nur blickte er auf – und sah vor sich einen Schatten. Eine Gestalt! Er hatte sie nicht kommen hören.
    Viel zu langsam griff Gilfalas zu seinem Schwert; aber er wusste, es würde ihm ohnehin nichts nützen. Seine Finger erschlafften.
    Es war vorbei; er hatte versagt.

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