Die Ringe der Macht
Fabian im Halbschlaf noch sagen …
Dann rüttelte ihn jemand an der Schulter. Er hatte das Gefühl, überhaupt nicht geschlafen zu haben oder höchstens ein paar Augenblicke lang. »Aufstehen, du Faulpelz!«, sagte eine dunkle Stimme. Es war Burin, der ihn geweckt hatte.
Kim rieb sich die Augen. Er fühlte sich wie zerschlagen. »Ist es schon Morgen?«, fragte er.
»Nein, Abend. Wir müssen weiter.«
Marina war bereits wach und bereitete über einem kleinen Feuer eine Suppe. Sie aßen schweigend. Kim hatte Mühe, nicht zu gähnen. Nur Gilfalas wirkte erholt; er zuckte nicht einmal mehr zusammen, als er seinen Rucksack schulterte. Anscheinend war etwas Wahres daran, dass die Elben wenig Schlaf brauchten, dachte sich Kim.
Als sie vor die Tür traten, konnten sie die untergehende Sonne mehr ahnen als sehen; denn eine tiefgraue, dichte Wolkendecke verbarg den Himmel vor den Blicken. Kim war sofort klar, dass diese Nacht mindestens so ungemütlich werden würde wie die vorige, so weit kannte er das Wetter in Elderland. Wenn diese eisengrauen Wolken von Westen her aufzogen, würde es mehrere Tage ohne Unterlass regnen, nicht heftig, aber stetig. Der Boden würde knöcheltief durchweichen und das Wandern zu einer Last machen. Kim zog die Kapuze über den Kopf, schnallte den Rucksack um und prüfte dessen Sitz.
Missmutig sah er noch einmal nach oben. Und schon begann gleichmäßig, fast ohne Vorwarnung, der Regen zu fallen.
Nun hatten sie einen neuen Begleiter auf ihrem Abenteuer, und wenn Marina nicht immer wieder einen Unterschlupf wie die Hirtenhütte finden würde, dann versprachen dies die ungemütlichsten Tage zu werden, die er je erlebt hatte.
»Gelobt sei der Regen. Er ist gut für die Felder, aber warum trifft er uns?«, knurrte Burin.
»Sei froh, dass du so klein bist«, entgegnete Fabian. »So wirst du seltener getroffen.«
»Witzbold!«, knurrte der Zwerg. »Ich bin stämmiger als du, außerdem werde ich vom Spritzwasser immer bis zum Bauch nass, was alles mehr als ausgleicht.«
Gilfalas, der neben Kim herging, hob eine Braue. »Sagt, Herr Kimberon«, meinte er, dem jungen Ffolksmann zugewandt, »man könnte fast den Eindruck gewinnen, Prinz Fabian« – der Elbe mied noch immer die vertrauliche Form der Anrede – »und der Zwerg … Sind sie wirklich Freunde? Manchmal könnte man fast glauben, sie wären sich spinnefeind.«
»Beruhigt Euch«, meinte Kim. »Sie sind die besten Freunde, die man sich vorstellen kann. Seit wir uns kennen, necken sich die beiden. Ich glaube, sie mögen sich so sehr, dass sie es nicht nötig haben, dies durch freundliche Gesten oder schöne Worte zu zeigen. So können sie ihre Derbheiten austauschen. Für Fabian ist es sogar gut, wird er doch im Palast ständig mit falscher Freundlichkeit überschüttet. Da ist unser Bubu eine erfrischende Abwechslung.«
»Wieso nennt Ihr ihn ›Bubu‹?« Gilfalas zog eine Braue hoch.
»Das ist sein Spitzname. Er hat ihn auf der Universität erhalten. Er entstand, weil ein zerstreuter Professor sich die Namen von Zwergen nie merken konnte. Die Zwerge haben alle ähnliche Namen, müsst Ihr wissen; nur deren Länge wächst mit ihrer Bedeutung. Es ist nicht abschätzig gemeint. Unser Freund hat sich schnell an den Namen gewöhnt, wohl wissend, dass wir, seine ihm freundlich gesonnenen Kommilitonen, ihn sonst mit noch ganz anderen Spitznamen überrascht hätten. So trägt er diesen Namen fast mit Stolz.«
Marina hatte wieder die Führung übernommen. Die Dunkelheit nahm zu, aber die Ffolksfrau schien Elderland zu kennen wie ein Bauer aus dem Zwickel seinen eigenen Hinterhof. Sie wusste genau, wo es weiterging.
»Woher kennt Ihr Euch hier so gut aus, gute Frau? Das ist erstaunlich«, richtete Fabian das Wort an sie; denn er selbst hätte in diesem großen Garten, in dem alles gleich geordnet aussah, längst die Orientierung verloren.
»Ein Ohm mütterlicherseits«, begann Marina, die ob des Lobes aus dem Munde des Kronprinzen vor Stolz fast noch einige Innches gewachsen wäre, »hat mit Bürsten hausiert, war Übermittler von Neuigkeiten und der Hochzeitslader im Gutsgürtel. Und da musste man jeden Pfad, jedes Haus und jeden Acker hier kennen, um nicht zu lange Wege zu gehen. Ich habe ihn als Kind oft begleitet, weil mein Gevatter meinte, ich lerne was fürs Leben. Nun weiß ich endlich, warum ich es getan habe, und mein geliebter Gevatter, möge die heilige Mutter ihm ewiges Leben schenken, hat wieder einmal recht behalten.«
Der
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