Die Ringe der Macht
Geschichte gelernt, dass man Verzweifelte wieder aufrichten muss. Und dafür braucht man ein Symbol – und das unsere bist … du! « Er grinste Fabian geradezu unverschämt an.
»Gut, packen wir’s an«, entschied Fabian und versuchte dabei das Lachen der anderen zu ignorieren.
Nicht lange nach diesem Gespräch – die Gefährten hatten ihre Wunden versorgt und sich gerade angekleidet – erschien eine Abordnung von Sumpflingen mit Tellern und Löffeln aus schwarzem Holz, Fladenbroten und einem großen Kupferkessel, in dem ein Eintopf simmerte.
Dazu gab es wieder einen warmen Kräutertee, der, so vermutete Kim, einer Erkältung vorbeugen sollte.
»Ah, Essen, warmes Essen«, rief Burin fröhlich aus und setzte sich mit den anderen an die in Windeseile gedeckte Tafel. »Habt Dank, ihr kleinen Wesen! Fast könnte ich euch vergeben.«
Nur Marina war zur Versöhnung anscheinend nicht gewillt; sie verhielt sich abweisend und sprach kein Wort. Der Pakt, von dem sie gesprochen hatte, musste ihr wirklich heilig sein. In Kims Augen tat sie den Sumpflingen jedoch unrecht. Sie hatten offenbar aus Furcht gehandelt, und wenn schon ihm selbst der Gedanke an die Dunkelelben schrecklich erschien, so musste die Macht und die Magie der Feinde auf das kleine Volk entsetzlich gewirkt haben. Die scheinbare Sicherheit des Sumpfes schwand angesichts dieser Bedrohung. Was ihn, Kim, anging, er trug den Sumpflingen nichts nach.
Außerdem schmeckte das Essen vorzüglich. Es war eine Art Fischsuppe, und Kim machte sich lieber keine Gedanken darüber, was in ihren Tiefen schwimmen mochte. Jedenfalls war sie würzig und kräftig, und das Fladenbrot, das man in die dicke Fettschicht stippen konnte, passte hervorragend dazu. Aber das Allerbeste war, die Mahlzeit war warm. Das gab Kim seinen Mut zurück, und mit jedem Bissen wurde er zuversichtlicher, einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden.
Kaum dass sie gegessen und ihre Pfeifen entzündet hatten, erschien Tr’ang in der Tür, Gwrgi im Gefolge. Er winkte den drei Sumpflingfrauen, die ihnen aufgewartet hatten, den Raum zu verlassen.
»Herr«, begann er vorsichtig, als die Frauen gegangen waren. »Können wir Euch irgendwie helfen?«
»Also«, begann Fabian gedehnt, »wir müssen in Angelegenheiten außergewöhnlicher Dringlichkeit ins Imperium gelangen. Ihr sagt – und ich stelle Eure Worte nicht in Frage –, die Wege nach Süden seien von unseren« – ein Wort, das Fabian besonders betonte – »Feinden oder deren Magie versperrt. Aber, bitte, helft uns und damit auch Euch, und lasst uns gemeinsam überlegen, ob es nicht noch eine Möglichkeit gibt, die Sümpfe zu durchqueren und einen Weg ins Reich der Menschen zu finden.«
»Hast du gehört«, flüsterte Burin Kim ins Ohr, »das war Diplomatie. Ich liebe unseren Prinzen. Er ist ein Könner. So viel Honig hätte ich dem Alten nicht um den Bart geschmiert.«
Kim sah den von Ohr zu Ohr grinsenden Burin irritiert an. Zwar teilte er den Sinn des Zwergen für Humor in diesem Augenblick nicht, doch er kannte den Freund zu gut: Burin konnte jede noch so ernste Lage durch ein, zwei Sprüche entkrampfen.
Tr’ang blickte Fabian an, lange und durchdringend, und der Kronprinz des Imperiums hielt dem Blick stand.
»Wisst Ihr«, begann der Häuptling der Sumpflinge umständlich, »Euer Kommen wurde uns verkündet. Eine uralte Legende erzählt von dem König, dessen Ring grünes Licht speit.«
Tr’ang machte eine Pause und goss sich eine Schale Tee ein. Er nahm einen Schluck und sah Fabian wieder an.
»Die Legende gebietet uns, dem König zu helfen, gleich welche Folgen es für uns haben mag.«
Und da endlich verstand Kim. Die Legende ließ den Häuptling auch wissen, welches der Preis für die Hilfe der Sumpflinge sein würde.
»Nur wenigen«, nahm Tr’ang den Faden wieder auf, nachdem er noch einen Schluck getrunken hatte, »ist das Ende der Legende bekannt. Die Fassung, die wir unseren Kindern zur Nacht erzählen, kündet davon, dass der König die Feinde niederringt und die Sumpflinge erlöst. Aber was von den Weisen nicht an das Volk weitergegeben wurde: Es wird viele Opfer kosten. Die Häuptlinge – und der Schamane, der uns diese Legende überliefert hat – kennen auch diesen Teil der Geschichte.«
Kim sah in die Runde, und selbst in Fabians Gesicht, das die Gelassenheit eines berufsmäßigen Diplomaten zur Schau trug, zeichnete sich für einen Augenblick Betroffenheit ab. Viel zu oft, das wussten die ehemaligen Studenten der
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